Er obduzierte Promis wie Strauß und Sedlmayr

München - Mehr als 20 000 Tote lagen im Laufe seiner Karriere auf seinem Seziertisch im Münchner Institut für Rechtsmedizin. Unter ihnen waren Franz Josef Strauß, der Volksschauspieler Walter Sedlmayr, der Modezar Rudolph Moshammer, das entführte Mädchen Ursula Herrmann oder der Nazi Rudolph Heß.
„Es hat mich fasziniert. Aber so komisch das klingt: Ich habe festgestellt, dass es mir nicht fehlt“, sagt Wolfgang Eisenmenger. „Wenn man so viele Schicksale und so viel Elend gesehen hat, ist man auch mal froh, wenn man dem nicht mehr ausgesetzt ist.“
Seit 2009 ist der renommierte Gerichtsmediziner im Ruhestand, am heutigen Dienstag wird er 70 Jahre alt.
An Arbeit fehlt es ihm aber nicht. „Ich habe ein eigenes Interesse nicht einzurosten.“ An der Münchner LMU hat er weiter ein Büro. Seit 2010 leitet er die Ethikkommission der medizinischen Fakultät. Regelmäßig sitzt Eisenmenger im Gericht und erstattet Gutachten: zur Schuldfähigkeit unter Alkohol oder zu Folgen von Fußtritten gegen den Kopf. „Ich habe nach 40 Jahren praktischer Rechtsmedizin ein relativ breites Wissen. Das wäre ja sinnlose Vergeudung einer Ressource.“
Immer wieder hatte Eisenmenger spektakuläre Fälle. Nach dem Tod von Franz Josef Strauß 1988 wurde er nach Regensburg gerufen. Mit der Obduktion sollte er klären, ob der Grund für den Zusammenbruch eine Fischvergiftung sein könnte – Strauß starb an einem Herzinfarkt.
1972 begann Eisenmenger am Münchner Institut, das er ab 1989 leitete. Er obduzierte auch getötete Kinder: die 1981 entführte Ursula Herrmann, die in einer Holzkiste erstickte, und die dreijährige Karolina, die vom Freund der Mutter mit deren Hilfe zu Tode gequält worden war.
Für die zweifelnden Angehörigen von Rudolf Heß kontrollierte er, ob Hitlers Stellvertreter Suizid begangen hatte. Per DNA-Analyse klärte sein Institut auch, dass es sich bei einer in Berlin exhumierten Leiche um die des Nazi-Verbrechers Martin Bormann handelte. Ebenfalls über DNA wies er nach, dass Kaspar Hauser kein badischer Erbprinz war.
Eisenmenger und seine Kollegen erstellten auch Gutachten zu Vaterschaft, Vergewaltigung und Kindesmissbrauch. Mehrfach sprangen sie im Ausland ein: Eisenmenger arbeitete im Kosovo, half 1991 nach dem Absturz einer Air Lauda-Maschine und schickte 2004 nach dem Tsunami Mitarbeiter ins Katastrophengebiet.
Eisenmenger, der mit seiner Frau zwei erwachsene Töchter hat, geht jetzt seiner Sammler-Leidenschaft nach – alte Bücher. Dass er nicht nur zu Hause sitze, finde seine Frau gut – „weil sie merkt, dass ich ausgeglichen bin.“
Aber klar ist schon jetzt: Irgendwann wird er selbst auf dem Stahltisch in der Rechtsmedizin liegen. In seinem Vermächtnis hat er festgelegt, dass er nach seinem Tod seziert werden möchte. „Ich finde das gehört sich, wenn man jahrelang andere so untersucht, dass man sich diesem letzten Dienst auch stellt.“