Er entscheidet, wer in der Fußgängerzone musizieren darf

Albert Dietrich ist der Dieter Bohlen der Stadt München. Er entscheidet, welche Straßenmusiker in der Kaufingerstraße spielen dürfen.
von  Jessica Deringer
Ist Albert Dietrich von den Künstlern überzeugt, unterschreibt er die „öffentlich-rechtliche Sondernutzungserlaubnis“.Casting zwischen Infobroschüren: „Le Trio Zigane“ spielt, Albert Dietrich lauscht.
Ist Albert Dietrich von den Künstlern überzeugt, unterschreibt er die „öffentlich-rechtliche Sondernutzungserlaubnis“.Casting zwischen Infobroschüren: „Le Trio Zigane“ spielt, Albert Dietrich lauscht. © Lennart Preiss

Albert Dietrich ist der Dieter Bohlen der Stadt München. Er entscheidet, welche Straßenmusiker in der Kaufingerstraße spielen dürfen.

MÜNCHEN Als der Bewerber um eine Genehmigung zur Straßenmusik seine Geige aus einer Supermarkttüte zog, war für Albert Dietrich von der Stadt München die Sache schon klar: „Bevor der einen Ton rausquetscht, weißt du schon, des wird nix.“ Einem, der mit Instrumentenvielfalt punkten wollte, erging es nicht besser: „Er hat sieben Instrumente hergeschleppt und eins war schlechter als das andere.“

Seit rund sechs Jahren veranstaltet Dietrich nun schon Castings für potenzielle Straßenmusiker. Das Vorspiel ist in der Landeshauptstadt Pflicht, um eine Genehmigung zum Musizieren für die Münchner Innenstadt zu erhalten.

Jeden Morgen vergibt Dietrich in der Stadtinformation am Marienplatz die Genehmigungen. Wer zum ersten Mal da ist, muss drei Stücke vorspielen, bevor er die begehrte Erlaubnis bekommt und in Dietrichs Musikerkartei aufgenommen wird. Auch nicht musizierende Straßenkünstler müssen eine Kostprobe ihres Programms geben. „Die Qualität war in den Keller gegangen“, erinnert sich Dietrich an die Musik der Zeit, bevor es das Casting gab. Die Straßenmusiker machten deshalb selbst den Vorschlag, eine Vorspielpflicht einzuführen. Ein professioneller Musiker, den sie sich als Juror gewünscht hatten, war zu teuer. Deshalb wacht jetzt Dietrich über den guten Ton zwischen Stachus, Marienplatz und Odeonsplatz.

Das nötige musikalische Gehör hat er von seinem zweiten Job als Beleuchter in der Münchner Oper: „Ich kann nicht hören, ob es eine Oktave zu hoch oder zu tief ist, aber ich höre, wenn was nicht stimmt.“ Von Dietrichs kritischen Augen und Ohren weiß auch der Straßenkünstler Marcus Achberger, seines Zeichens komplett verkleidete, manchmal tanzende Statue, ein Lied zu singen. „Die lassen auch nicht jeden rein, da muss man schon was drauf haben. Ich hab ganz gut getanzt, das hat ihm gefallen“, erinnert er sich an sein Casting vor mehreren Jahren.

Minuspunkte gab es allerdings für seine Verkleidung, die lediglich aus einem Anzug und silbern bemalten Händen und Gesicht bestand. Die Kritik nahm er sich zu Herzen, heute trägt er ein mehrere Tausend Euro teures Kostüm.

So wie Achberger kommt der Großteil der Kandidaten durch. Die meisten Bewerber sind entweder Musikstudenten, die auf der Straße ihre Wirkung testen wollen, oder Musiker aus Osteuropa, die in Deutschland keine feste Anstellung im Orchester bekommen haben. „Das sind ja Bettler für die meisten, das stimmt aber nicht, das ist totaler Blödsinn“, bestätigt Dietrich. Gerade deswegen sei er darauf bedacht, die Qualität hochzuhalten.

Wenn er Potenzial erkennt, bekommt aber auch der eine zweite Chance, der das erste Vorspielen im wahrsten Sinne des Wortes vergeigt. So wie eine Engländerin, die laut Dietrich „so nervös“ war, „dass sie geklappert hat“: „Die hat sich sauber verspielt, dann hab' ich gesagt, sie soll am nächsten Tag wiederkommen.“ An diesem bekam sie dann die begehrte Genehmigung.

Die sei allerdings kein Freifahrtschein, betont Dietrich: „Ich geh' ja raus und horch' draußen, das merken die gar nicht“, verrät er. Einem langjährigen Akkordeonspieler, den er beim disharmonischen Singen erwischte, verbot er das Musizieren kurzerhand.

Auch in dieser Woche sind wieder Kandidaten in der Stadtinformation: Drei Aichacher Schüler wollen in den Ferien Straßenmusik machen. Unter den neugierigen Blicken der Touristen haben sie ihre Instrumente ausgepackt und geben die vorgeschriebenen drei Lieder zum Besten. Als sie fertig sind, gibt es Applaus von den Besuchern. Mit einem „Guad“ nimmt sich Dietrich ein Formular und füllt die Erlaubnis für die drei aus.

Zum Abschied weist er sie an, sich nicht in die Nähe anderer Musiker oder neben Erdbeerstände zu stellen. „Nicht dass die faulen, wenn ihr spielt“, sagt er und grinst.

 

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