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Entscheidung gefallen: Gericht spricht Ex-FC-Bayern-Star Jérôme Boateng schuldig

Viermal schon hat sich ein Gericht in München mit Gewaltvorwürfen gegen Jérôme Boateng befasst. Jetzt wurde das Urteil gesprochen.
von  Jan Krattiger, dpa
Boateng wird vor vollbesetzten Zuschauerrängen im Gerichtssaal fotografiert. Am Freitag, 19.7.2024 hat das Gericht ihn der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig gesprochen und verwarnt.
Boateng wird vor vollbesetzten Zuschauerrängen im Gerichtssaal fotografiert. Am Freitag, 19.7.2024 hat das Gericht ihn der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig gesprochen und verwarnt. © Peter Kneffel/dpa

München - Im Prozess gegen den früheren Fußball-Nationalspieler und Ex-FC-Bayern-Star Jérôme Boateng ist am Freitag das Urteil gesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft forderte wegen eines mutmaßlichen Angriffs auf seine Ex-Partnerin eine Geldstrafe in Höhe von 1,12 Millionen Euro für den 35-Jährigen. Die Verteidigung sprach sich dagegen höchstens für eine "moderate Geldstrafe" wegen fahrlässiger Körperverletzung oder die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage aus. 

Urteil gegen Jérôme Boateng: Was jetzt auf ihn zukommt 

Ein unerträglicher, hoher Pfeifton verzögert zunächst die Urteilsverkündung am Freitag am Münchner Landgericht. Für elf Uhr war sie angesetzt. Nach etwa zehn Minuten verstummte das Geräusch; woher es kam, blieb unklar.

Auf den Tag genau sechs Jahre ist der Vorfall zwischen Boateng und seiner Ex-Partnerin im Sommerurlaub her. Nun hat das Gericht unter Vorsitz von Richterin Susanne Hemmerich versucht, einen Schlusspunkt unter diese lange juristische Geschichte zu setzen.

Das Gericht hat Boateng wegen vorsätzlicher Körperverletzung verwarnt. Das heißt, er muss die Geldstrafe von 40 Tagessätzen á 5000 Euro (insgesamt 200.000 Euro) nur zahlen, wenn er gegen seine gerichtlichen Auflagen verstößt.

Boateng muss 100.000 Euro an gemeinnützige Vereine zahlen

Die sehen vor, dass er zweimal 50.000 Euro an zwei gemeinnützige Vereine zahlt. Einmal an den Verein für Jugend- und Familienhilfen e.V. und einmal an den Verein zur Unterstützung des Dr. von Haunerschen Kinderspitals der Uniklinik München.

Die Richterin sagte bei der Urteilsverkündung, die Kammer habe bewusst nicht verfügt, dass Boateng das Geld zugunsten einer Fraueninitiative spenden müsse, weil das ein "falsches Signal" gesetzt hätte. Die "einzigen Leidtragenden" dieses langen Prozesses seien die Kinder.

"Sehr, sehr, sehr geläutert": Richterin spricht für Boateng nur Verwarnung aus

Für die Richterin habe das Verfahren außerdem gezeigt, dass Boateng "nicht der schlimme Frauenschläger" sei, als der er in dieses Verfahren vor sechs Jahren gegangen sei. Boateng sei mittlerweile "sehr, sehr, sehr geläutert". Auch die mediale Vorverurteilung und die lange Verfahrensdauer waren für das Gericht Gründe, um zu diesem Strafmaß zu kommen. Die Verwarnung führt auch dazu, dass der Staat die Verfahrenskosten trägt.

Der Prozess hat laut Gericht deutlich gemacht, dass sowohl die Aussagen der Ex-Freundin als auch jene Boatengs zu den Vorfällen vor sechs Jahren nicht zuverlässig waren. Der Schuldspruch bezieht sich auf die körperliche Auseinandersetzung zwischen den beiden, die wegen der Aussagen eines Gutachters zu den Verletzungen glaubhaft nachvollzogen werden konnten.

"Sicher überreagiert": Boateng von Münchner Gericht wegen vorsätzlicher Körperverletzung schuldig gesprochen

Da habe Boateng wegen Beschimpfungen seiner damaligen Partnerin (Hintergrund war ein Eifersuchtsstreit) "sicher überreagiert", so die Richterin, und er sei ihr "körperlich auch völlig überlegen".

Er sei "unendlich erleichtert, dass dieser jahrelange Albtraum nun endet", lässt Boateng gleich im Anschluss über einen PR-Berater ausrichten. Er wolle sich jetzt "auf die Familie und den Fußball konzentrieren".

In dieser Mitteilung fordert Boatengs Verteidigung außerdem, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen im Fall Kasia Lenhardt einstellen soll. Boatengs Ex-Freundin Lenhart hatte sich 2021 das Leben genommen. Der Spiegel-Podcast "Die Akte Kasia Lenhardt" vom April 2024 hat neue Vorwürfe der häuslichen Gewalt gegen Boateng erhärtet. Seine Anwälte streiten diese Vorwürfe ab.

Streit im Urlaub 2018 eskalierte: Boateng bestritt vor Gericht, Partnerin geschlagen zu haben

Boateng hatte bestritten, seine frühere Partnerin 2018 in einem gemeinsamen Karibik-Urlaub geschlagen und mit einem Windlicht und einer Kühltasche beworfen zu haben. Er sprach am ersten Verhandlungstag von einem "Alptraum", sein Anwalt in seinem Plädoyer von einem "erfundenen Narrativ des Frauenschlägers", einer "für beide Seiten erwartbaren Rangelei" und wechselseitiger Körperverletzung. Boateng habe seine Ex-Freundin weggestoßen, sie ihn an der Lippe verletzt. 

Die Anwältin von Boatengs Ex-Freundin, die ihm Gewalt vorwirft, sagte dagegen: "Es ist ein echter David-gegen-Goliath-Kampf." Boateng zeige "kein Unrechtsbewusstsein". 

Urteil im Prozess gegen Jérôme Boateng erwartet: Langwieriges Verfahren

Das Verfahren gegen den langjährigen Verteidiger des FC Bayern München, der gerade vom italienischen Club US Salernitana zum Linzer ASK in Österreich wechselte, zog sich lange hin. Das Amtsgericht München hatte bereits im Jahr 2021 eine Geldstrafe gegen Boateng verhängt: 60 Tagessätze zu je 30.000 Euro, also insgesamt 1,8 Millionen Euro.

Das Landgericht München I verurteilte Boateng dann im Oktober 2022 in zweiter Instanz wegen Körperverletzung und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10.000 Euro – insgesamt 1,2 Millionen Euro. Doch das Bayerische Oberste Landesgericht kassierte das Urteil unter anderem wegen durchgehender Rechtsfehler – darum wurde es vor dem Landgericht München I erneut aufgerollt. 

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