Englischer Garten und Isar: Zauberhafte Zwischen-Zeit

Der Stadtspaziergänger ist früh auf und spürt dem frühherbstlichen Zauber nach. Ein bisserl Sommer ist auch noch.
von  Sigi Müller
Klar, zeigen sich die Bäume im satten Grün. Doch die wabernden Nebelschwaden künden längst: Es herbstelt gewaltig!
Klar, zeigen sich die Bäume im satten Grün. Doch die wabernden Nebelschwaden künden längst: Es herbstelt gewaltig! © Sigi Müller

München - Der Sommer ist definitiv vorbei. Die Temperaturen haben sich zielgerichtet nach unten bewegt. Als ich an diesem Morgen über die John-F.-Kennedy-Brücke fahre, glüht unter mir die Isar. Der Fluss brennt, so der Anschein. Wenig später im Englischen Garten: Nebeldampf auf den Bächen. Ja, der Sommer ist definitiv vorbei, aber der Herbst auch noch nicht da. Irgendwie dazwischen gerade alles.

"Smoke on the water", der Song von Deep Purple fällt mir ein, und ich weiß natürlich, dass dieser Welthit 1971 am Genfer See, bei einem Casinobrand entstand. Aber auch hier und heute hätte man ihn schreiben können.

Die Rabenkrähe ist früh munter und posiert geduldig als Model.
Die Rabenkrähe ist früh munter und posiert geduldig als Model. © Sigi Müller

Früh morgens kann man die Einsamkeit in der Großstadt genießen

Einige Tage später bin ich im Norden an der Isar, stehe an den Stromschnellen hinter der Fußgängerbrücke, die zur Emmeramsmühle führt. Es regnet und das eine oder andere bunt verherbstete Blatt schwimmt schon in den Pfützen. Noch ist er nicht da, der Indian Summer, der die Bäume so bunt leuchten lässt, dass man das Gefühl hat, einem Maler sei der Farbkasten auf die Leinwand gefallen. Aber bald, bald werden die Herbststürme kommen und die Blätter von den Bäumen fegen.

Fast 1,6 Millionen Menschen leben in der Stadt und trotzdem kann ich, zugegeben sehr früh, auch die Einsamkeit genießen, vielleicht, mit viel Glück, einen Eisvogel sehen, einen Reiher beobachten, oder einen Biber. Eine Wasseramsel taucht vor mir in den Fluss, sucht nach kleinen Wasserinsekten und macht dann auf einem Stein ihre Hofknickse. Fast wie in Kanada.

Dieser Bach scheint in der Morgensonne regelrecht zu dampfen und zu kochen.
Dieser Bach scheint in der Morgensonne regelrecht zu dampfen und zu kochen. © Sigi Müller

Vielleicht nehme ich, wenn es wieder kälter wird, einen heißen Kaffee in einer Thermoskanne mit. Glaubt man den Prognosen, wird dieser Winter in circa zwei Stunden mit mindestens minus 40 Grad über uns hereinbrechen und sicher acht Jahre lang dauern. Ja, überall gibt es wieder Hinweise, was wir in diesem Winter alles nicht können. Keine Sauna? Keine Bäder? Keine Heizung?

Wie ein Gemälde: Ein Blatt glänzt im Wasser.
Wie ein Gemälde: Ein Blatt glänzt im Wasser. © Sigi Müller

Ein Wunder, dass es uns noch gibt!

Und wieder sind wir da, wo wir vor gar nicht langer Zeit die gleichen schlimmen Winter vor uns hatten, als Corona wütete und es noch keinen Impfstoff gab. Was wir da alles nicht konnten – ein Wunder, dass es uns noch gibt.

Herrliche Schaumkronen auf der schnell fließenden Isar.
Herrliche Schaumkronen auf der schnell fließenden Isar. © Sigi Müller

Wir können hier an der Isar sitzen und dampfenden Kaffee trinken, vielleicht mit viel Glück einen seltenen Fischotter beobachten, oder einen Dackel an einer langen Leine, dessen anderes Leinenende sich vielleicht als wahrer Schatz entpuppt, oder kurze Zeit später in der Falk's Bar im Bayerischen Hof einen Remmy Demmy für 22 Euro bestellen. Wir haben immer noch die Wahl. Bleiben wir froh über das, was wir alles können. Es ist eine ganze Menge.

In diesem Sinne eine schöne Woche
Ihr Sigi Müller

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