Enges Rennen vor der Wahl: Wird der Münchner Norden rot?

München - Wahlkampf ist Sport, sagt Bernhard Loos. Der 66-Jährige tritt für die CSU im Münchner Norden an. Dort klingelt er seit Wochen an Haustüren, drückt den Leuten Kugelschreiber und seinen Flyer in die Hand. 35.000 Stück hat er drucken lassen. Loos fängt immer im obersten Stockwerk an. Den Aufzug nimmt er selten. Bevor er klingelt, zieht er manchmal kurz seine Maske herunter, um Luft zu holen.

Bernhard Loos will sein CSU-Direktmandat verteidigen
Dass ein Wahlkämpfer einen langen Atem braucht, weil einen auf den letzten Metern doch einer überholen kann, lässt sich wohl nirgendwo in München besser beobachten als im Norden. Denn wenn die rund 230.000 Wahlberechtigen dort am nächsten Sonntag ihre Stimme abgeben, könnte es ganz anders ausgehen, als noch vor Monaten prognostiziert.
Bei der letzten Wahl holte Bernhard Loos von der CSU das Direktmandat in dem Wahlkreis, der vom hippen Studentenviertel in der Maxvorstadt, über Hochhaussiedlungen im Hasenbergl bis zu Münchens letzten Bauernhöfen an der Stadtgrenze reicht: Der 66-Jährige erhielt 32,4 Prozent der Stimmen. Auch bei den beiden Wahlen zuvor siegte immer ein CSUler.
Diesmal, damit rechneten vor wenigen Wochen noch die meisten, könnten der CSU höchstens die Grünen Konkurrenz machen. Schließlich wurde München in den vergangenen Jahren immer grüner. Bei der letzten Landtagswahl gewannen die Grünen in München fünf Direktmandate, drei davon lagen im Norden.
Doris Wagner (Grüne) verpasste Einzug in den Bundestag nur knapp

Die Grünen-Kandidatin Doris Wagner, die bei der Bundestagswahl 2017 den Einzug knapp verfehlt hat, habe also möglicherweise eine zweite Chance, hieß es.
Traut man den aktuellen Umfragen, kommt es anders. Vorne liegt nämlich derzeit ausgerechnet der SPDler Florian Post. Im Frühjahr musste der 40-Jährige noch oft die Frage beantworten, welchen Job er eigentlich einmal machen will, wenn es mit der politischen Karriere vorbei ist.
Neueste Umfragen: Auch Florian Post (SPD) könnte im Norden siegen

Denn obwohl Post bereits seit 2013 im Bundestag sitzt, gab es um seinen Listenplatz so viel Krach, dass er nun gar nicht auf der Landesliste vertreten ist. Er muss deshalb das Direktmandat gewinnen. Auch wenn der Norden einst als roter Fleck im sonst so schwarzen Bayern galt, weil hier ab 1998 dreimal hintereinander der SPDler Axel Berg siegte, hätte vor ein paar Wochen wohl niemand gedacht, dass die SPD hier eine Wahlparty feiern könnte. Doch laut der neuesten Prognose kommt Post auf 27 Prozent, die CSU liegt dahinter bei 23 Prozent und darauf folgen knapp die Grünen mit 22 Prozent.
Das Rennen um das Mandat ist also knapp. Und es tragen nun also drei Menschen aus, die nicht unterschiedlicher sein könnten: Post ist einer, der weit über die Stadtgrenze hinaus bekannt ist. In Interviews poltert er gegen die eigene Partei, in seiner Kolumne bei "Focus-online" wettert er gerne gegen Gendersternchen.
Loos und Wagner hingegen steht das Wort "anständig" quasi auf der Stirn geschrieben. Er wolle sich nicht aufdrängen, sagt Loos, als die AZ ihn beim Haustürwahlkampf begleitet und er keine Wahlkampfparolen schwingt, sondern erstmal nur einen Satz sagt: "Hallo, ich bin Bernhard Loos, Ihr Bundestagsabgeordneter." Die Frage ist, ob er es bleiben kann.
Wahl 2017: Die Ergebnisse im Norden
Erstimmen: Bernhard Loos (CSU) 32,2 Prozent, Florian Post (SPD) 26 Prozent, Doris Wagner (Grüne) 13,1 Prozent.
Zweitstimmen: CSU 28,8 Prozent, SPD 16,6 Prozent, Grüne 16,9 Prozent.
Außerdem treten im Wahlkreis München-Nord noch diese Kandidaten (von Parteien, die bereits im Bundestag vertreten sind) an: Daniel Föst (FDP, Bundestagsabgeordneter und bayerischer Landesvorsitzender); Petr Bystron (AfD, Bundestagsabgeordneter); Christian Schwarzenberger (Linke, Referent für die Linken-Fraktion im Stadtrat).