Endspiel - harte Prüfung für Schüler

MÜNCHEN - Zehntausende Haupt- und Realschüler müssen nur wenige Stunden nach dem Abpfiff voll konzentriert sein: Sie machen ihren Abschluss. Das bayerische Kultusministerium hat da einen ganz besonders originellen Vorschlag.
Das ist wirklich schlechtes Timing: Nur wenige Stunden, nachdem am Sonntagabend das EM-Finale abgepfiffen wird, müssen zehntausende Real- und Hauptschüler in Bayern ihre Abschlussprüfungen ablegen. Freudentaumel oder Depression? Egal. Müdigkeit? Egal. Von den Jugendlichen wird volle Konzentration verlangt. Ausgerechnet am Montag nach dem EM-Endspiel, um 8.30 Uhr morgens, beginnt für 57 000 Hauptschüler in Bayern der Quali. Eineinhalb Stunden lang werden bei der Englischprüfung die Fähigkeiten in listening comprehension, reading, use of English und text production getestet.
Die 38 000 bayerischen Realschul- Absolventen haben es noch ungünstiger getroffen. Nicht nur, dass sie am Montag zur Mathe-Prüfung anrücken müssen. Schon am Donnerstag, am Morgen nach dem Halbfinal- Sieg der deutschen Nationalelf gegen die Türken, mussten sie ihre Deutschkenntnisse unter Beweis stellen. „Die Prüfungen haben einen langen Vorlauf bei den Planungen. Seit einem Jahr stehen die Termine fest“, begründet das Kultusministerium die unglückliche Konstellation. „Da ist nichts dran zu rütteln.“
Der Büffel-Bann gilt nicht
Die Jugendlichen, die immerhin bald ins Berufsleben eintreten, müssten am Final-Abend entscheiden, was gut für sie sei. „Sie können selbst einschätzen, ob sie vielleicht nur die erste Halbzeit schauen!“ Soll das die Empfehlung des Kultusministeriums sein? Schüler zur Halbzeit ins Bett? Dabei hatte Kultusminister Siegfried Schneider (CSU) noch vor wenigen Tagen öffentlichkeitswirksam gefordert: Keine Klassenarbeiten nach EM-Spielen mit deutscher Beteiligung! Doch für die wichtigen Abschlussprüfungen gilt der Büffel-Bann während der EM eben nicht.
Die Bayern-SPD hat einen anderen Vorschlag: Bildungsexperte Hans-Ulrich Pfaffmann fordert eine Final-Freistunde für alle Schüler. Der Unterricht solle am Montag eine Stunde später beginnen. In München geht die Grundschule an der Dachauer Straße mit gutem Beispiel voran. Die Eltern erhielten einen Brief der Leitung: „Liebe Eltern, das Fußballfieber grassiert. Das Endspielfieber ist besonders ansteckend. Sollte Ihr Kind am Montag eventuell davon befallen sein und bis um 9 Uhr zur Schule kommen könnte, teilen Sie das bitte am Freitag der Lehrerin mit.“ Immerhin. Eine Stunde mehr Schlaf für die kleinen Fußball-Fans.
"Dann müssen sie eben vorschlafen"
Beim Bayerischen Elternverband geht man das Problem pragmatisch an. „Die Schüler haben halt Pech gehabt“, sagt Ursula Walter über die harte Prüfung für die Jugendlichen. „Wenn sie meinen, sie müssen das Spiel zu Ende sehen, dann müssen sie eben vorschlafen!“ Und vielleicht haben die Schüler ja Glück im Unglück. Und Schweini, Poldi & Co. holen den Titel – ohne Verlängerung und Elfmeterschießen.
Julia Lenders