Endlich: Holz für die Münchner Hüttn!
München - Wird die bayerische Landeshauptstadt (wieder) zur Holzhausstadt? Naja, die steinerne Ludwigstraße, die Residenz oder der Königsplatz sind wohl nicht in Gefahr. Aber auf dem Gelände der ehemaligen Prinz-Eugen-Kaserne sollen von etwa 1.800 geplanten neuen Wohnungen 450 komplett in Holzbauweise errichtet werden. Ohne Beton. Kein Pappenstiel!
Das Pilotprojekt, bei dem neue architektonische und technische Möglichkeiten mit bis zu 7 Stockwerke hohen Holzbauten getestet werden, wäre dann die größte Holzbau-Siedlung weit und breit.
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Chinesischer Turm, Kinderhaus und jetzt noch höher hinaus!
Münchens Architekten proben freilich schon länger mit dem nachwachsenden Material, was man aber in der Stadt selbst bei genauem Hinschauen kaum merkt. Bislang waren die Bauten aus Holz meist niedrig. Kindergärten und -tagesstätten, Schulanbauten und temporäre Pavillons: Dafür durfte man fälschlicherweise als nicht hochwertig und haltbar geltenden Werkstoff schon länger hernehmen. Einfachere Gewerbeimmobilien oder Sporthallen gingen auch.
Im Wohnhausbereich aber waren komplett aus Holz gebaute Geschosswohnbauten die absolute Ausnahme. Am liebsten benutzten Architekten Holz für kleinere Anbauten, für Aufstockungen oder für Verkleidungen und oft auch, um einen gestalterischen Akzent zu setzen.
Berühmte Bauten aus Holz? In München seit dem Abbruch des ehemaligen Olympischen Radstadions im Olympiapark: eigentlich Fehlanzeige. Es sei denn, man zählt das Bayerwaldhaus im Westpark, das Kinderhaus am Alten Botanischen Garten oder den chinesischen Turm dazu.
An anderen Orten hat man Holz bereits in vergleichsweise schwindelnde Höhen aufgetürmt, wie 2008 in Dornbirn am Bodensee: acht Geschosse für ein Bürohochhaus, geplant von Hermann Kaufmann, einem Professor an der Münchner TU. Oder 2010, Berlin: sieben Etagen für ein Mehrfamilienhaus (Architekten: Tom Kaden mit Thomas Klingenbeil). Nicht nur in Deutschland benötigt man für Bauten, die mehr als fünf Stockwerke hoch werden, Sondergenehmigungen und aufwendige Extras. Man traut Holz noch nicht über den Weg, dabei ist Planen mit Holz kein Holzweg.
Hochhäuser aus Holz? Gibt es schon – wie in Wien zu sehen ist
Aber brennt es nicht zu gut? Experten winken ab: Tragende Holzteile können etwa mit Gips verkleidet werden. Auch Probleme mit Schallschutz oder Dichte gegen den Wind sind keine Probleme mehr. Das einzige: Holz ist wasserscheu, wenn es in Form bleiben soll. Es verformt sich möglicherweise, was das bei tragenden Stützen und Balken für ein Hochhaus bedeuten würde, lässt sich erahnen.
Trotzdem wachsen die architektonischen Entwürfe in schwindelnde Höhen jenseits aller Baumwipfel - zunächst freilich in der europäischen Nachbarschaft: In Stockholm planen Olof Grip und Josef Eder von General Architecture gerade 13 Stockwerke und 43 Meter. In Wien sind es 24 Etagen und 86 Meter.
Den planerischen Holzrekord hält gerade Paris mit einem 35-stöckigen Wolkenkratzer von Michael Green aus Kanada. Ob das gebaut wird, wird man sehen. In München kommt die Trendwende weniger spektakulär daher. Das konnte man vor kurzem bei den von der Bayerischen Architektenkammer „Architektouren“ erleben. Auffällig war die hohe Anzahl der Holzbauten, die man besuchen konnte.
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Leopoldstraße: Erstes Mehrfamilienhaus aus Holz
Neben den schon gewohnten flachen Bauten werden inzwischen auch anders genutzte und höhere Gebäude in Holzbauweise und auch mit Geschossdecken aus Holz errichtet: Direkt an der Leopoldstraße bauten die Architekten Zillerplus vor kurzem ein viergeschossiges Mehrfamilienhaus – das erste mitten in der Stadt.
In Garching wurde das neue Soulmade Hotel der Derag-Gruppe komplett in Holz gebaut, um bei Gästen und Umwelt mehr Wohlgefühl zu erzeugen. Bei Einfamilienhäusern ist der Holzweg schon länger hip: 15 Prozent aller neuen Objekte in Deutschland sind aus Holz, in Bayern sind es etwa 19, im grünen Baden-Württemberg fast 24.
Denn Holz gilt als gesunder Baustoff ohne krank machende chemische Ausdünstungen, Holz erzeugt ein angenehmes Raumklima und weist hervorragende Wärmedämmeigenschaften auf. Das Raumklima ist deshalb so gut, weil Holz ein schlechter Wärmeleiter ist - und so die hölzernen Innenwände, Böden und Decken kaum niedrigere Temperaturen als die Raumluft besitzen. Das verhindert kalte Strahlung und starke Luftturbulenzen - mit dem Effekt hoher Behaglichkeit.
Diese Vorteile wollen sich viele nicht entgehen lassen, obwohl Holzbauten um etwa 10 Prozent teurer sind als konventionelle Häuser.
Fünf Gründe warum Holz der Baustoff der Zukunft wird
Aber mit den privaten gesundheitlichen Vorzügen geht ja auch ein gemeinschaftlicher ökologischer Mehrwert einher. Zum einen sind in einem 150 Quadratmeter großen Holz-Wohnhaus 50 Tonnen Kohlendioxyd gespeichert. Außerdem handelt es sich bei diesem Material um einen nachwachsenden Rohstoff, der – nachhaltige Holzwirtschaft vorausgesetzt – nicht zur Neige geht.
Für den Baustoff entstehen keine Kies- und Sandgruben in der Landschaft und ein Hausabbruch schafft keine Rückstände. Das Holz kann thermisch verwertet werden. Kommt das Holz auch noch aus der näheren Umgebung, verbessert sich die Ökobilanz weiter durch geringe Transportwege.
Selbst der Bauprozess besitzt ungeahnte Vorteile gegenüber der weit verbreiteten Massivbauweise. Da beim Holzbau viel exakter gedacht, geplant und schließlich gearbeitet wird, kann viel vorgefertigt werden. Das bedeutet andersherum: Das Gebäude kann meistens in Windeseile auf die zuvor fertiggestellten Fundamente aufgebaut werden.
Es gibt schon vorfabrizierte Einfamilienhäuser, die in nur einem Tag einzugsfertig aufgestellt werden können. Und selbst bei den mehrgeschossigen Vorzeigeobjekten dauert die Bauzeit – die man besser als "Montage“ bezeichnet – nur wenige Wochen.
Kein Wunder, dass Holz als Werkstoff der Zukunft sich in der Architektur langsam ein ganz positives Image bekommt.
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