Ende der Tierquälerei: Münchner ÖDP will Stadttauben retten

Die Fraktion fordert einen Taubenschlag im Rathaus-Dachboden, ein Ende der Tierquälerei durch Fangnetze und Taubenspikes und mehr Aufklärung für Bürger.
von  Irene Kleber
Ruhig sitzt sie da, diese Taube am Hauptbahnhof. Viele Münchner mögen die Tiere trotzdem nicht.
Ruhig sitzt sie da, diese Taube am Hauptbahnhof. Viele Münchner mögen die Tiere trotzdem nicht. © Tobias Hase/dpa

München - Münchens Taubenfreunden ist zum Weinen, wenn sie dieser Tage am Hauptbahnhof dort hinschauen, wo bis vor zwei Wochen noch ein Taubenschlag stand. Das neun Quadratmeter große Häusl, in dem die "Taubenhilfe München" rund 600 Tauben legal gefüttert hat (im öffentlichen Raum gilt ein Fütterungsverbot), ist abmontiert.

Das Taubenhaus am Hauptbahnhof.
Das Taubenhaus am Hauptbahnhof. © Taubenhilfe München

Tierschützerin berichtet: "Jetzt suchen die Tauben verzweifelt nach Futter"

Die Bahn hatte den Tierschutzverein aufgefordert, das Haus wegen kommender Abrissarbeiten abzubauen. Füttern kann man nun nicht mehr, weil die Bahn den Zugang mit einem Schloss versperrt hat.

"Jetzt flattern die Tiere auf dem Dach herum, sind schon völlig abgemagert und suchen immer verzweifelter nach Futter", berichtet die Moosacher Tierärztin und Tierschützerin Doris Quinten. Sie mahnt: "Sie werden bald verhungern, wenn sich nichts ändert."

Tierärztin Dr. Doris Quinten.
Tierärztin Dr. Doris Quinten. © iko

Münchens Stadttauben, sie polarisieren. Viele Münchner fühlen sich gestört von ihnen, fürchten ihren Taubenkot auf Balkonen und Fensterbrettern und sorgen sich, ein Kontakt mit den Tieren könnte sie krank machen.

Stadttauben sind keine Wildtiere

Tierärztin Doris Quinten hält - wie der Tierschutzverein auch - dagegen: "Dass man 'Tauben Ratten der Lüfte' nennt, ist völlig falsch. Weder machen sie krank noch zerstört ihr Kot Stein und Hausfassaden", sagt sie, und beruft sich dabei auf eine Untersuchung der TU Darmstadt, die zum Ergebnis kommt, dass Gebäudeschäden, zumal an historischen Gebäuden, nicht von Taubenkot verursacht werde, sondern von Luftschadstoffen.

Überhaupt gehöre vieles in das Reich der Mythen, was man von Tauben denke. "Stadttauben", sagt sie, "sind keine Wildtiere, sondern ursprünglich von Menschen gezüchtete, ausgesetzte Haustiere, die in freier Wildbahn nun nicht mehr allein überlebensfähig sind."

Nun nimmt sich die Stadtrats-ÖDP des Taubenthemas an - und will für geschätzt 40.000 Stadttauben Verbesserungen schaffen. Bislang gibt es laut Gesundheitsreferat 17 genehmigte Taubenhäuser (davon neun in Privathand), in denen Tauben mit artgerechtem Futter gefüttert und ihre Eier entnommen werden - darunter das genannte am Hauptbahnhof.

Stadt muss "Verantwortung für ihre Stadttauben übernehmen"

"Das ist viel zu wenig, München bräuchte 30 solcher Häuser", sagt ÖDP-Stadträtin Nicola Holtmann. Die Stadt müsse "Verantwortung für ihre Stadttauben übernehmen", anstatt Fütterungsverbote auszusprechen und sogar Abschüsse an Tauben-Hotspots wie an U-Bahnhöfen zu genehmigen. Gerade das Fütterungsverbot führe dazu, dass halbverhungerte Vögel Passanten belästigen, nicht artgerechte Nahrung aufnehmen und erkranken.

ÖDP-Stadträtin Nicola Holtmann.
ÖDP-Stadträtin Nicola Holtmann. © iko

Kann auf Fangnetze und Taubenspikes verzichtet werden?

In einem großen Antragspaket schlägt die ÖDP vor, etwa im Dachboden des Rathauses einen Taubenschlag zu bauen, der nach dem "Augsburger Modell" betrieben wird (dort werden die Tauben gefüttert, medizinisch versorgt und die Eier durch Attrappen ersetzt, dadurch reduziert sich die Population). Außerdem soll die Stadt prüfen, wo ab sofort auf Fangnetze und Taubenspikes verzichtet werden kann. "In meine Praxis werden fast täglich verletzte Tiere gebracht", sagt Doris Quinten, "da blutet einem das Herz."

Für die Tauben am Hauptbahnhof sieht es übrigens nicht gut aus. Der Bahnmitarbeiter, der das Schloss auf dem Dach öffnen könne, sei leider im Urlaub, hat die Bahn dem Tierschutzverein mitgeteilt.

Und auch ein Ersatz-Taubenschlag wird wohl erst gegen Jahresende in der Nähe des Hauptbahnhofs aufgestellt - auf dem Dach des Gesundheitsreferats (RGU), sagt der Tierschutzverein. Das abgebaute Häusl sei nämlich zu sperrig für dort und könne nicht verwendet werden. "Und wir haben nur einen Schreiner gefunden, der jetzt ein neues bauen kann", so eine Sprecherin zur AZ. "Der schafft es wegen Corona aber auch nicht schneller."

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