Elif (16): Ihre Wandlung vom Teenager zur radikalen IS-Sympathisantin

Wer hat der Schülerin aus Neuried, die in den Dschihad ziehen will, geholfen? Ihr Vater erhebt Vorwürfe. Immer mehr Details tauchen auf.
Ralph Hub |
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Elif wandelte sich in kürzester Zeit vom normalen Teenager zur radikalen IS-Sympathisantin.
privat Elif wandelte sich in kürzester Zeit vom normalen Teenager zur radikalen IS-Sympathisantin.

München - Seit fast einem Monat ist Elif Ö. inzwischen verschwunden. Sie wollte nach Syrien, um sich der Terrormiliz IS anzuschließen. Immer mehr Details werden bekannt, warum sich das Mädchen innerhalb weniger Monate so radikal verändert hat – und wie es ihm gelungen ist, ungehindert nach Syrien zu kommen.

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Im Internet und auch in Städten sind Anwerber unterwegs, die junge Männer und Frauen suchen, um sie für den IS zu rekrutieren. Elif Ö. findet laut „SZ“ über das Internet Kontakt zu einer Frau, die „gottgefälliges Leben“ anpreist. Sie stamme aus Deutschland und lebe in Syrien, behaupte sie. Einer Bekannten von Elif habe die Frau sogar angeboten, die Reise nach Syrien zu bezahlen, berichtet der Bayerische Rundfunk. Elif glaubt den Versprechungen der Frau. „Ich liebe sie sehr für Allah“, schreibt sie in ihren Notizen. „Ohne sie hätte ich ja nicht den Mut, Hijra in Shaa Allah zu machen.“ „Hijra in Shaa Allah“ heißt so viel wie Auswanderung, so Gott will, weg aus dem Land der Ungläubigen.

Elif informiert sich über Heiratsmöglichkeiten. Mit einem Kämpfer des IS verbunden zu sein, gilt in islamistischen Kreisen als Vorstufe zum Paradies. Einer Freundin schickt sie ein Foto von zwei jungen Männern mit Bart. Elif will wissen, welchen sie attraktiver findet. Ihre Ansichten werden radikaler. „Mit Kalashnikov im Jihad“, im Namen Allahs, schreibt sie in ihren Notizen. Und ergänzt mit „Dawlatul Islam“, den arabischen Ausdruck für die Terrororganisation „Islamischer Staat“.

Noch vor einem Jahr war Elif ein normaler Teenager. Ihre Eltern lassen ihr viel Freiheit. Makeup, Zungenpiercing, blondgefärbte Haare, Ausgehen, Freunde. Die Eltern sind aufgeschlossene, moderne Menschen. Ein Sturz in die Isar und die Rettung – hat das ihr Leben so verändert? Im April 2014 ist Elif mit einer Freundin an der Isar. Die Mädchen betrinken sich. Elif stürzt ins Wasser. Der Notarzt muss sie wiederbeleben. „Sie hat wohl das Gefühl gehabt, dass Allah sie noch einmal gerettet hat, und dass sie jetzt ein religiöses Leben führen muss“, erzählt ihre Schwester Selen der „SZ“. Elif wechselt ihre Kleidung. Sie trägt erst Kopftuch, später ein langes Gewand, schließlich eine Burka und Handschuhe. Die Eltern bekommen zunächst nichts mit. Auf dem Weg zur Schule habe sie sich umgezogen, sagen die Geschwister.

Elif hat ihre Reise offensichtlich minuziös geplant. Schwer vorstellbar, dass das Mädchen dies ohne fremde Hilfe geschafft hat. Sie hat nur ein paar Hundert Euro im Sparschwein. Zudem spricht Elif nur schlecht türkisch, arabisch könne sie gar nicht, berichten Freunde.

Schleuserbanden kümmern sich darum, dass Sympathisanten des IS problemlos in den Nahen Osten gelangen. Drehscheibe des Terror-Tourissmus soll Wien sein. Von dort aus, so heißt es, werde die restliche Reise organisiert.

„Im Internet kursieren Telefonnummern aus der Türkei und Syrien, bei denen man Hilfe bekommt. Zudem findet man im Netz Checklisten, was man beachten muss“, bestätigt Sönke Meußer vom Verfassungsschutz. Auch Elif scheint so eine Checkliste befolgt zu haben. Sie zerstört ihr Handy. Damit ihr Verschwinden nicht auffällt, erzählt Elif ihren Eltern, sie sei auf einer Geburtstagsparty. Am 28. Februar fliegt Elif. Das Ticket hat sie zwei Wochen zuvor gekauft. „Ich kann es kaum erwarten“, schreibt sie in ihren Notizen.

Sie habe normal ausgesehen, berichten Beamte der Bundespolizei am Münchner Flughafen. Elif trägt keine Burka wie sonst. Das bestätigte auch eine Freundin, bei der Elif die Nacht zuvor geschlafen hat. Elif habe extra „westliche Kleidung“ angezogen, sagt sie. Atila Ö., der Vater von Elif, erhebt schwere Vorwürfe gegen die Sicherheitsbehörden, wie ein Rechercheteam von „SZ“, WDR und NDR berichtet. „Wie kann es sein, dass eine 16-Jährige alleine aus Deutschland ausreisen kann? Und keiner fragt, wo sie hinwill und was sie vorhat?“ Elif hatte einen deutschen Pass im Gepäck.

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