Neue MVG-Maßnahme sorgt für Unmut bei Senioren in München: "Ist eine Zumutung"

München Es bleibt ein Ärgernis mit den rund 130 öffentlichen Klohäusln in der Stadt – trotz der "Toiletten-Offensive", die OB Dieter Reiter (SPD) schon vor fünf Jahren zur Chefsache gemacht hat, weil Bürgerinnen und Bürger immer wieder wegen fehlender stiller Örtchen klagen. Es vergehe "keine Bürgersprechstunde, keine Woche und kein Monat, wo es nicht um Toiletten geht", hat er erst im Februar wieder gesagt, als er persönlich zur Einweihung einer neuen Toilettenanlage am Grünen Markt in Berg am Laim erschienen ist.
Bezahlautomaten an U-Bahnhof-Toiletten erzürnen Seniorenbeirat in München
Jetzt geht es wieder ums öffentliche Bieselbedürfnis. Münchens Seniorenbeirat äußert seine Empörung darüber, dass, wer dringend muss, an vielen der rund 60 U-Bahnhof-Toiletten der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) erst mal umständlich nach Kleingeld kramen muss: Die MVG hat nämlich im vergangenen November an 23 sanierten Toilettenanlagen Bezahlautomaten aufgestellt. Dort muss, wer sich erleichtern will, erst mal 60 Cent einwerfen (oder mit Karte zahlen). "Die Bedienung dieser Automaten ist nicht nur für ältere Menschen gewöhnungsbedürftig", beschwert sich Seniorenbeirats-Chef Reinhard Bauer (73). "Das notwendige Kleingeld muss vorhanden und passend sein. Das erschwert den Zugang nicht selten in erheblichem Maße. Für ältere Menschen und Kinder ist das eine Zumutung."
Inzwischen sind laut MVG sieben weitere U-Bahnhof-Klos saniert worden und deshalb bald kostenpflichtig (Feldmoching, Hasenbergl, Klinikum Großhadern, Messestadt Ost, Milbertshofen, Neuperlach Süd und Westfriedhof). Sie sollen "nach der Abnahme nach und nach bis Ende Mai in Betrieb" gehen, erklärt ein MVG-Sprecher auf AZ-Nachfrage. Fünf Anlagen (Josephsplatz, Trudering, Kolumbusplatz, Karl-Preis-Platz und Studentenstadt) werden aktuell umgebaut, danach sollen weitere folgen. Nur die barrierefreien Toiletten für Behinderte können mit einem Euroschlüssel weiter kostenlos genutzt werden.
Ältere müssen häufiger und oft eiliger aufs Klo als Jüngere
Die 30-köpfige Seniorenvertretung fordert jetzt in einem Antrag, "keine weiteren Bezahlautomaten in öffentlichen Toiletten zu installieren." Und mehr noch: Die MVG soll ihre Bezahlautomaten wieder abbauen, und zwar umgehend, "im Lauf des Jahres 2024".
Bauers Kollege Ulrich Gammel, der im Gremiums-Fachausschuss Öffentlicher Raum sitzt, bemüht für diese Forderung sogar das Grundgesetz: "Im äußersten Fall wäre sogar das in Artikel 2 garantierte Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit bedroht", argumentiert er, und mahnt: "Fehlendes oder nicht passendes Kleingeld kann zu Situationen führen, die erhebliche Auswirkungen auf Würde und Gesundheit besonders für ältere Mitmenschen haben." Gerade Ältere müssten ja häufiger und oft auch eiliger als Jüngere aufs Klo.

16 kostenlose städtische Toiletten sind in München neu in Betrieb
Anders als bei der MVG ist bei den neuen "Toiletten-Offensive"-Häusln der Stadt die Benutzung kostenlos: Das Baureferat hatte 2019 in einer Bedarfsanalyse errechnet, dass es 29 zusätzliche Toilettenstandorte in der Stadt brauche, an gut besuchten Grünanlagen, Parks, Spielplätzen und in Stadtteilzentren. 16 davon sind bisher laut Baureferat in Betrieb gegangen (zuletzt in diesem Jahr am Grünen Markt, an der Ecke Plinganser-/Brudermühlstraße, im Hypopark und an der Wiesentfelser Straße).
Bis 2026 sollen dann die restlichen 13 Anlagen folgen. Alle sind Unisex-Toiletten, barrierefrei und familienfreundlich mit aufklappbaren Wickeltischen, herunterfahrbaren Waschbecken und Notrufeinrichtung. Die Toiletten (6 bis 22 Uhr geöffnet) reinigen sich nach jeder Nutzung automatisch von selbst. Insgesamt, erklärt das Baureferat auf AZ-Nachfrage, seien aktuell 37 öffentliche Toiletten, für die das Baureferat zuständig sei, kostenlos.
MVG rechtfertigt sich: "Bepreisung schützt vor Vandalismus"
Bei der MVG reagiert man recht verhalten auf die Senioren-Forderung, auf die 60 Cent Biesel-Eintritt zu verzichten. Eine Änderung an den Bezahlautomaten wäre "sowohl mit einer erneuten Genehmigung sowie Mehrkosten verbunden", erklärt ein Sprecher. Und: "Die Preise für die Benutzung dieser Anlagen sind bei weitem nicht kostendeckend, tragen aber zur Finanzierung des Betriebs bei."
Vor allem schütze die Bepreisung die Anlagen vor Vandalismus. Genau das bezweifelt der Seniorenbeirats-Chef: "Wer mangels Kleingeld nicht reinkommt, obwohl er muss, bieselt eben in eine Ecke, den Treppenaufgang oder irgendwo in die Landschaft." Das mache ja wohl auch nichts besser.