Eine neue Masche: Schnittmuster feiern ein Revival
MÜNCHEN - Erfolgsgeschichte in der Zeitschriftenkrise: Drei Münchnerinnen stecken hinter "Cut - Leute machen Kleider", einem Modemagazin mit Schnittmustern. Die Leser sind begeistert
Madonna macht’s. Catherina Zeta Jones auch. Und Stilikone Sarah Jessica Parker vertreibt sich damit lästige Drehpausen. Die Hollywood-Ladies stricken und liegen damit voll im Trend. Nach Jahren, in denen Uniformität à la H&M und Label-Bewusstsein mit notfalls gefälschten Louis-Vuitton und Prada-Taschen großgeschrieben wurden, gehört selber stricken und nähen für viele Modebewusste zum neuen Zeitgeist. Das beweist auch das neue Magazin „Cut – Leute machen Kleider“ aus der Hand von drei Münchnerinnen.
„Dieses Projekt fing mit einer Bewegung im Freundeskreis an“, erzählt Lucie Schmid. „Viele haben angefangen zu stricken oder nähen.“ Auch die 30-jährige Grafikdesignerin belegt einen Nähkurs, stellt aber bald fest, dass es schwierig ist, einfache Schnittmuster und Stoffe zu finden.
"Es ist unsere Passion. Wir sind ja selbst Zielgruppe des Projekts."
Das ist die Geburtsstunde von Cut. Schmid, die in der Münchner Design-Agentur „independent Medien-Design“ arbeitet, tut sich mit ihren Kolleginnen Anja Kellner (27) und Marta Olesniewicz (26) zusammen. Agentur-Chef Horst Moser fungiert als Herausgeber. Dass dadurch erst alles möglich wird, ist den Frauen klar. „Wir hätten das privat finanziell nicht stemmen können. Und so haben wir in der Arbeit ganz einfach die Infrastruktur mitgenutzt.“ Auch Texter, Fotografen und Models arbeiten für kleines Geld an der ersten Ausgabe mit.
Ein Jahr planen die drei nähbegeisterten Frauen. Am Anfang viel in der Freizeit, später auch während der Arbeit. Eine anstrengende Zeit, aber das nehmen alle für ihren Traum hin. „Es ist unsere Passion. Wir sind ja selbst Zielgruppe des Projekts“, sagt Kellner.
Auch Männer schneidern die Entwürfe zuhause nach
Das Magazin erscheint Anfang März. Schnell trudeln die ersten Leserbriefe ein. Unter anderem von einer 12- und einer 65-jährigen Leserin. Manche schicken Fotos mit den nachgeschneiderten Stücken. Konzipiert wurde die Zeitschrift für eine klar definierte Zielgruppe: 16- bis 36-Jährige, die Lust haben, kreativ zu sein. Nicht nur Frauen sind begeistert. „Ein Mann hat uns geschrieben, dass er die Tasche für seine Freundin genäht hat.“
Die Idee dazu hatte er aus dem Heft. Drei Schnittmuster sind der aktuellen Ausgabe beigelegt: für ein Kleid, einen Schal und eine Tasche. Schwierigkeitsgrad: einfach bis mittel. Das Magazin öffnet einen Blick hinter die Kulissen. Es werden Designer vorgestellt. „Nicht die ganz Großen. Sondern die, die selbst noch im Aufbau sind“, sagt Schmid. Superteure High-Fashion-Labels wird man in den Modestrecken genauso wenig finden, schließlich soll es um bezahlbare Mode gehen.
Schon bald soll sich Cut durch Verkauf und Anzeigen selbst finanzieren
Die aktuelle Ausgabe widmet die Rubrik „Mach-Art“ dem Siebdruck und lässt 33 Zürcher ihre Lieblingslocations verraten. Diese Vielfalt ist wichtig. Denn nicht alle Leser von Cut greifen zu Nadel und Schere. „Viele schreiben uns, dass sie das Heft wegen der Geschichten und des Designs kaufen“, sagt Schmid.
Einfach war es nicht, die Anzeigenkunden von dem Heft zu überzeugen. Trotzdem soll sich Cut schon bald durch Verkauf und Anzeigen selbst finanzieren. Das Magazin gibt es im gut sortierten Zeitschriftenhandel, an Bahnhof- und Flughafenkiosken, in Zeitschriftensonderläden. Und natürlich im Internet, etwa bei stoffe.de. Viele bestellen das Heft im Netz, obwohl zum Heftpreis von sieben Euro noch fünf Euro Versandkosten kommen. In München findet man Cut zum Beispiel bei soda in der Rumfordstraße.
Das Magazin ist schon für mehrere Designpreise nominiert
Warum den Lesern Cut gefällt? „Ich bin davon überzeugt, dass junge Leute froh sind, wenn sie etwas selber machen können. Wir sitzen ja alle den ganzen Tag vor dem Computer. Etwas Selbstgemachtes ist chic und modern geworden“, sagt Lucie Schmid.
Das Projekt Cut ist nicht nur wegen des jungen Looks und den beigelegten Schnittmuster einzigartig. Während andere Verlage reihenweise Titel einstellen, sind die 20 000 gedruckten Exemplare der Erstausgabe schon fast vergriffen. Nur zwei Monate nach Erscheinen ist Cut schon für mehrere Designpreise nominiert. Die Krise lähmte die drei Macherinnen nicht. „Es war eine Herzensangelegenheit“, sagt Kellner, „wir wollten nicht mehr länger warten“.
Irgendwann soll eine Online-Community für Kreative entstehen
Schmid, Kellner und Olesniewicz geht der Stoff nie aus. Inspiration finden sie auf Modemessen, sie stöbern im Internet, sitzen zusammen und beraten sich. Auch Freunde steuern Ideen bei. Im Internet hat Cut schon eine Fangemeinde gefunden. Irgendwann soll daraus eine Online-Community entstehen, sozusagen eine gemeinsame Plattform, in der sich Kreative austauschen können.
Die Macherinnen finden es spannend, was die Leser aus den Entwürfen machen, welchen Stoff, welches Muster, welche Farbe sie wählen. „Dadurch ist jedes Stück anders, das ist Individualismus. Genau das wollten wir“, sagt Olesniewicz. Cut ist ein kleines Team ohne Chefredakteur. Alle haben gleiches Entscheidungsrecht. Vielleicht ist das ein Geheimnis ihres Erfolges. „Bei uns gibt es kein Rumgezicke und keine Hierarchien“, sagt Kellner.
Das nächste Heft kommt im August, darin wird Stricken ein Thema
Weil Cut noch in den Kinderschuhen steckt, muss improvisiert werden. Das Making off für die Schnittproduktion wurde in einem winzig kleinen Raum fotografiert. Schritt für Schritt dokumentieren Bilder, wie der Leser beim Nähen vorgehen muss. Es soll ihm so einfach wie möglich gemacht werden. „Sonst wird man schnell frustriert.“
Ende August wird das nächste Heft in den Regalen liegen, von da an soll Cut vierteljährlich erscheinen. In der nächsten Ausgabe wird Stricken ein Thema. Ist bestimmt ganz einfach, die Hollywood-Stars haben es ja vorgemacht.
Verena Duregger
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