Eine Kerze für die tote Tochter
MÜNCHEN - Almut H. aus München hofft, dass nach 21 Jahren jetzt der Mörder ihres Kindes gefunden wird. Inga wurde während einer Reise als Rucksacktouristin durch Nordirland ermordet.
Die gerahmten Fotos im Wohnzimmerregal, im Schlafzimmer und in der Küche zeigen ein fröhliches, oft aber auch in Gedanken versunkenes hübsches, junges Mädchen. An den Wänden hängen ihre Zeichnungen, die die Gymnasiastin in den 80er Jahren gemalt hat - Inga-Marie, die vor fast 21 Jahren in Nordirland ermordet wurde, ist allgegenwärtig in der Wohnung ihrer Mutter. Und sie bestimmt den Alltag der 66-Jährigen: „Ich gehe alle drei bis vier Tage auf den Friedhof und zünde ein Kerzerl für sie an“, berichtet Almut H.
Im April 1988 hatten sie sie alle gemeinsam zum Bahnhof gebracht: Der inzwischen ebenfalls verstorbene Vater (†2006), die Mutter und Ingas ein Jahr ältere, etwas behinderte Schwester. Es war das letzte Mal, das Almut H. ihre jüngste Tochter sah. „Meine Inga ist nicht zurückgekehrt. Bis heute weiß ich nicht, wie sie gegangen ist – was genau passiert ist“, sagt die frühere Altenpflegerin. Inga wurde am 18. April 1988 bei Ballycastle ermordet. Der Täter wurde bis heute nicht gefasst (AZ berichtete). Doch noch immer wird ermittelt. Jetzt ergab eine am Tatort gefundene Genspur teilweise Übereinstimmungen mit in der britischen DNA-Datei gespeicherten, straffällig gewordenen Frauen. Der zuständige Detective Chief Superintendent will nun die engen Verwandten dieser Frauen überprüfen. Er vermutet den Täter unter ihnen.
„Ich hatte kaum mehr Hoffnung, dass der Mörder noch gefunden wird“, sagt Almut H. Dabei ist es für die Mutter extrem wichtig, endlich zu wissen, was damals passiert ist. Inga hatte jeden Tag zu Hause angerufen, plötzlich brach der Kontakt abrupt ab. „Auf der Fähre nach Irland wurde sie zuletzt gesehen, dann war sie 13 Tage verschwunden.“ Am 20. April fand ein Schäfer ihre Leiche.
Almut H. und ihr Mann, die kaum Englisch sprachen, reisten zwei Mal nach Irland – um die Leiche ihrer Tochter zu identifizieren und um den Ort zu sehen, an dem ihr Kind gefunden wurde. „Es war ein friedlicher Ort, eine Wiese und drumherum Bäume.“
Nach dem Tod ihrer Tochter schlossen sich Almut und Josef H. dem Verein „Verwaiste Eltern“ an, „das hat uns sehr geholfen“. Josef H. suchte in seiner Verzweiflung zeitweise Halt in einer Sekte. Ingas Mutter hielt den Kontakt zu Ingas Freunden. Mit einigen von ihnen treibt sie noch heute regelmäßig Sport. „Es ist ganz wichtig, nicht allein zu sein“, sagt sie. Sie hofft, dass Ingas Mörder nun endlich gefasst wird. „Er hat sicher nicht nur meine Inga gequält.“
Nina Job
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