Eine Breit-Rutsche und ein bisschen Nostalgie
Urlaub zuhause, Kopfsprung ins kühle Nass: Die AZ testet die Münchner Freibäder. Heute: das Schyrenbad
Sind die berühmt?“ Neugierig, kichernd und tropfnass stehen die beiden Mädchen Victoria und Amelie neben der Fotografin der Abendzeitung am Beckenrand. Das Knipsen am Nachmittag im Schyrenbad hat Aufmerksamkeit erregt, auch wenn mit dem Ehepaar Helga und Anton Eisenreich keine Promis am Pool vor die Linse kamen. Diese soll es im Schyrenbad zwar auch geben, angeblich tummeln sich hier gerne mal Heio von Stetten samt Familie und so mancher „Marienhof“-Darsteller. Sicherlich hätten die aber nicht so viel übers Schyrenbad zu erzählen wie die beiden Stammgäste.
Mehrmals die Woche holen sie ihre Liegestühle aus dem Gepäckschließfach und stellen sie am Rand des Schwimmerbeckens in Münchens ältestem Bad auf. „Ich komme schon hierher, seit ich ein kleiner Bub bin“, sagt Rentner Anton Eisenreich, der in Giesing aufwuchs. Damals floss noch das Freibadbächl durch das Gelände und speiste die Becken mit Wasser – ganz wie schon 1847. In diesem Jahr wurde mit dem „Schyren“ (den Namen trägt es seit 1877) das erste staatliche Freibad in München eröffnet. Das lustige Planschen im erfrischend-kühlem Wasser war damals allerdings den Herren vorbehalten.
Heute lockt das Freibad einen bunten Gästen-Mix an. Szeneleute, Sportliche und Senioren – seit der Generalsanierung und Wiedereröffnung 2007 fühlen sich auch immer mehr Familien im Schyrenbad pudelwohl. Kinder wie Victoria und Amelie sind kaum mehr von der Breitrutsche, auf der sie zu zweit hinuntersausen können, weg zu bekommen. Der Kleinkinderbereich begeistert die jüngsten Besucher, während sich die Älteren auf dem Trampolin oder der Wiese beim Kicken austoben.
„Wir mussten unseren Stammplatz räumen, da ist jetzt der neue Kinderbereich. Aber es hat auch seine Vorteile, näher am Wasser zu sein, dann bin ich motivierter öfters hineinzugehen“, sagt Helga Eisenreich. Allerdings vermisst sie einige langjährige Gäste, die dem Bad nach dem Umbau untreu wurden.
Neuer Kinderbereich
„Früher waren wir eine Clique, die sich nach der Arbeit um fünf immer zum Tischtennis getroffen hat. Bei den Turnieren verteilten die älteren Herren dann Medaillen an die Sieger.“ Und was gab’s für die Siegerinnen? „Eine Schaumwaffel vom Kiosk“, sagt Anton Eisenreich mit einem breiten Lächeln.
Ein Schwatz mit dem Bademeister beim Abkühlen im Wasser, ein „Grüß Gott“ an die Stammgastgruppe unter dem großen Baum am Eingang – trotz der „zunächst gewöhnungsbedürftigen“ Veränderungen fühlen sich die Eisenreichs in ihrem Schyrenbad mit der „guten und friedlichen Atmosphäre“ sowie den vielen Bekannten immer noch gut aufgehoben. Auch die nahe gelegene Isar mit ihrem neuen Badeplatz an der Wittelsbacherbrücke stellt keine Alternative dar. Auf die Sauberkeit und Wohltemperiertheit des Wassers könne man sich nur hier verlassen.
Den verträumten Charme des Schyrenbads findet man heute noch auf der Liegewiese mit den alten Bäumen und auf der Trainingsbahn kommen wie eh und je die treuen Schwimmer zum Zug. Jeden zweiten Tag zieht der 44-jährige Thomas seine Runden. Auch er ist kein Schyren-Neuling und kommt seit 15 Jahren. Sein Tipp, für alle Nostalgiker, die das alte, ehrwürdige Schyrenbad vermissen: „Bei schlechtem Wetter hat es eine Atmosphäre wie früher.“ Und: An vergangene Zeiten erinnert eine kleine Statue am Eingang, die zu Anton Eisenreichs Jugend am Beckenrand stand.
Diemuth Schmidt