Eine Betrügerin packt aus
MÜNCHEN - Sex in München: Fremdgehen wird gesellschaftsfähig. „Das Gefühl begehrt zu werden, ist stärker als jede Vernunft“, sagt Jula Saalmann (Name geändert). Seit sechs Monaten hat die Münchnerin eine Affäre.
Susanne Klatten hat es getan und Oli Geissen: Sie sind fremdgegangen. In Großstädten ist der Seitensprung absolut gesellschaftsfähig geworden – auch wenn niemand darüber spricht. „Man baut sich ein irres Lügengebilde auf“, sagt die Münchnerin Jula Saalmann (Name geändert). Sie hat seit sechs Monaten eine Affäre – mit dem Arbeitskollegen ihres Mannes.
Mit zweideutigen Emails fing alles an, schnell wurden eindeutige Anspielungen daraus. Jetzt steht Er unter einem Frauennamen in ihrem Handy. Er trifft sie immer in einem anderen Hotel. Er ist attraktiv, „aber lieben werde ich ihn nie“, sagt Saalmann. Monat um Monat riskiert die Münchnerin ihre Ehe, die Liebe ihrer drei Kinder, das Ansehen von Freunden und Eltern, ihr ach so heiles Leben. Alles für ein paar Stunden Sex und Zärtlichkeit zwischen fremden Laken.Warum?
Eine andere Welt
„Das Gefühl begehrt zu werden, ist stärker als alle Vernunft“, sagt die 33-Jährige. Lange gezögert hat sie nicht vor dem ersten Mal. „Die Affäre ist eine andere Welt.“ Ohne die Probleme mit den Kindern, dem Haushaltsgeld, der kaputten Waschmaschine. „Und es tut meinem Ego unheimlich gut. So gut, dass ich wieder sechs Wochen Ehealltag bewältigen kann.“
Immer noch teilt Saalmann mit ihrem Ehemann das Bett, gibt ihm Abschiedsküsse. „Ich denke nicht, dass Tom etwas ahnt“, sagt sie, die Finger so fest ineinander verschlungen, dass sie bleich werden. „Ich hoffe es zumindest.“ Dabei wäre sie vor ein paar Wochen beinahe mit dem Liebhaber erwischt worden. „Er stieg zu mir ins Auto, auf der anderen Straßenseite lief ein Bekannter vorbei. Er hat nichts gesehen. Aber die Angst aufzufliegen hielt sich tagelang in meinem Bauch.“
Tatsächlich sind es meistens die Frauen, die das schlechte Gewissen zwickt. „Es scheint, als ob Männer mit dem Emotionalen besser umgehen können. Doch das heißt nicht, dass Frauen nicht genauso häufig betrügen wie Männer“, sagt die Münchner Sexualtherapeutin Andrea Bräu. Ihre Praxis (www.beziehungspraxis. de) in der Innenstadt hat stetigen Zulauf. „70 Prozent der Deutschen hatten schon mal eine Affäre“, schätzt sie. Nicht die Moralvorstellungen würden in deutschen Städten fallen, „es ist einfacher fremdzugehen, weil die Partner unabhängiger voneinander leben“, meint Bräu. Und Gründe gibt es genug. „Das muss nicht fehlende Sexualität sein, sondern die oft unbewusste Sehnsucht nach Nähe, Wärme, Gesprächen.“
Obwohl viele wüssten, dass Fremdgehen nicht okay sei, „nehmen sie die enorme Belastung der Heimlichkeit auf sich, um aus ihrem Alltag zu flüchten“, sagt Bräu. Selbst wenn Frauen das schlechte Gewissen plagt, wenn sie zwischen Familie, Beruf und Affäre hin- und hergerissen sind, schaffen sie es, ihr Geheimnis zu wahren – während ein Mann plötzlich anders ist, wegen einer SMS auffliegt, oder ungeschickt lügt. „Frauen haben einen besseren Riecher, wenn ihr Mann fremdgeht. Und genau diese Spuren versuchen sie selbst zu verwischen“, sagt Bräu.
„Sie weiß, dass es mich gibt“, ist sich auch Martina Roth (Name geändert) sicher. Sie, das ist die Ehefrau von Roths Geliebtem. „Aber sie sagt nichts mehr. Er hat sie zu oft enttäuscht.“ Roth ist Single, hat den Mann bei der Arbeit kennen gelernt. Als er ihr gestand, wie sehr er sie begehrt, war es um sie geschehen. Dass sie Rivalin einer langjährigen Ehefrau sein würde, hätte Roth nie gedacht. „Ich bin ein ehrlicher Mensch. Es hat mich fast zerstört, meine Freunde und Eltern anlügen zu müssen.“ Nach zwei Monaten wollte sie die Affäre beenden. „Aber es ist so schwer loszulassen.“
Ds tiefe Loch danach
Roth, heute 52, ist Wiederholungstäterin. „Als ich 20 war, hatte ich schon mal eine Affäre. Damals hat es mich fast kaputt gemacht. Und jetzt frage ich mich wieder, warum ich das mache.“ Und dann ist da doch gleich die Antwort: „Wenn wir nur telefonieren, kann ich lachen. Wenn er da ist, fühle ich mich wie ein verliebter Teenager. Über meinen Geburtstag waren wir in Tirol. Da war ich so glücklich.“
An das tiefe Loch danach, denkt sie nicht. Doch es tut sich jedes Mal auf: Das Warten vor dem Telefon, die Sehnsucht nach dem Duft seines Rasierwassers – und die Gewissheit nie wirklich Teil seines Lebens werden zu können. „Er wird sich nicht trennen.“ Und dann dieser eine Gedanke: „Ich mach’ jetzt Schluss. Aber dann schaffe ich es doch nicht.“
Die Enttäuschung ist zu Roths Lebensbegleiterin geworden. Wie an dem Wochenende, als er seinen Sohn mit nach München brachte. „Ich saß nur wenige Meter von ihnen entfernt im Café und hätte ihn so gerne berührt“, sagt sie leise. „In dem Moment war klar, dass ich nicht zu seinem Leben gehöre.“
Auch Jula Saalmann will ihre Familie nicht gefährden, ihren Mann nicht verlassen. „Ich war doch mal verliebt in ihn“, flüstert sie. Aber nach vier Jahren Ehe gibt es nur noch Unwahrheiten. „Sicher habe ich Schuldgefühle. So stark, dass ich sie eigentlich nicht verkraften kann.“ Und trotzdem fährt sie wieder ins Hotel, zu einem „Mädelsabend“.
Anne Kathrin Koophamel
- Themen:
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