Ein tiefer Griff ins Klo

Eine Sensation war es, als 2008 der älteste jüdische Friedhof der Stadt entdeckt wurde. Jetzt kam raus: Der Maßmannpark war nicht etwa ein Begräbnisort – sondern eine Fäkaldeponie
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Dieser Plan aus den Stadtarchiven zeigt es eindeutig: "Düngerlager" steht da wo noch der jüdische Friedhof vermutet wurde
abendzeitung Dieser Plan aus den Stadtarchiven zeigt es eindeutig: "Düngerlager" steht da wo noch der jüdische Friedhof vermutet wurde

MAXVORSTADT - Eine Sensation war es, als 2008 der älteste jüdische Friedhof der Stadt entdeckt wurde. Jetzt kam raus: Der Maßmannpark war nicht etwa ein Begräbnisort – sondern eine Fäkaldeponie

Es war eine Sensation für die Münchner Stadtgeschichte: 2008 glaubte der Jurist Klaus Bäumler, in einem baumumsäumten Stück im Maßmannpark in der Maxvorstadt den ältesten jüdischen Friedhof Münchens aus dem 15. Jahrhundert gefunden zu haben.

„Ich stelle das so in den Raum, nun muss man mich erst mal widerlegen“, verkündete der Hobby-Historiker und ehemalige Vorsitzende des Bezirksausschusses Maxvorstadt damals. Und genau das ist jetzt Richard Bauer, dem Ex-Direktor des Stadtarchivs, geglückt. Für das Bebauungsverbot der Fläche und den alten Baumbestand, wodurch Bäumlers Interesse auf das trapezförmige Stück gelenkt wurde, findet sich ein weitaus profanerer Grund: Das Grundstück wurde als Müll- und Fäkal-Deponie genutzt.

Irgendwo muss er sein: Die Historiker sind weiter auf der Suche nach dem jüdischen Friedhof

Grund für die Suche war eine Urkunde der Herzöge Ernst und Wilhelm vom 29. März 1416: Dort ist zu lesen, dass die Münchner Juden vier ungarische Gulden Jahreszins für ein Grundstück für ihren Friedhof bezahlten. Der Ort wird in dem Schriftstück äußerst vage beschrieben, was zu der Zeit üblich war: „gelegen bey dem perg zwischen Mossach und dez Rennweges“. Mit dem „perg“ ist die Trasse gemeint, die die höher gelegenen Orte Neuhausen und Moosach von der Niederung Restmünchens trennt. Der Rennweg verlief vom Neuhauser Tor Richtung Feldmoching. Richard Bauer grenzt den Bereich, in dem der Friedhof zu suchen ist, grob auf das Gebiet rund um die Dachauer Straße ein.

Der westliche Teil des Maßmannparks kann dagegen ausgeschlossen werden. Die Bauern, die für die Stadtreinigung zuständig waren, luden dort Menschen- und Tierkot ab. „Düngerlager“ steht auf dem Plan von 1847, auf dem besagtes Grundstück eindeutig zu verorten ist.

Sie geht also weiter, die Suche nach dem jüdischen Friedhof. „Erschwert wird das Ganze dadurch, dass entlang der Hangkante seit dem 16. Jahrhundert Sand entnommen wurde“, erklärt Richard Bauer. Grabreste könnten also längst zerstört worden sein. Trotzdem will Bauer weitersuchen: „Ich habe schon ein paar Stellen in Verdacht, aber das Gelbe vom Ei ist es noch nicht“. Also heißt’s: Weiter suchen. Auch wenn dabei noch weitere Münchner Fäkalgruben ans Licht kommen.

Johanna Jauernig

Richard Bauers Aufsatz „Ein vermeintlich im Münchner Maßmannpark lokalisierter Judenfriedhof aus dem Jahr 1416“, erschienen im 133. Band des Historischen Vereins von Oberbayern, München 2009

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