Ein Thema dominiert die Siemens-Hauptversammlung in München
Die Hauptversammlung von Siemens hat vor allem ein Thema: das "Desaster" Australien. Vorstand Joe Kaeser muss viel einstecken.
München - "Das Leben könnte so schön sein", seufzt Aktionärsvertreterin Daniela Bergdolt auf der Hauptversammlung der Siemens AG. Es könnte so schön sein, wenn sich das Weltunternehmen nicht einen groben "Patzer" erlaubt und einen Vertrag für die Lieferung von Signaltechnik für eine 200 Kilometer lange Güterbahnstrecke in Australien unterschrieben hätte, meinten auch andere Anteilsvertreter am Mittwoch auf der großen Siemens-Eigentümerversammlung in der Münchener Olympiahalle.
Das "kommunikative Desaster", so Fondsmanagerin Vera Diehl von Union Investment, hatte dem Konzern in den letzten Wochen auch Protestaktionen vor der Hauptversammlung eingetragen. Denn die geplante australische Bahnlinie soll Kohle von einer riesigen Mine zur Küste transportieren. Und Kohle ist in Zeiten der Klimakrise böse, sehr böse sogar.
Kaeser: "Wir wissen, dass wir nicht optimal gehandelt haben"
Das hätte man doch erkennen müssen, musste sich Konzernchef Joe Kaeser (62) von nahezu allen Rednern vorhalten lassen. "Sie haben gepatzt", schimpfte Bergdolt in Richtung des Vorstandschefs. Dadurch sei ein "erheblicher Reputationsschaden" entstanden – und das völlig unnötig, denn gemessen am Siemens-Gesamtumsatz ist das Auftragsvolumen von 18 Millionen in Australien Peanuts.
In der Hauptversammlung räumte Kaeser Fehler ein: "Wir haben das gesamte Bild dieses Auftrags nicht rechtzeitig gesehen", sagte er und: "Unser Unternehmen muss besser vorbereitet sein." Damit sich Dergleichen nicht wiederholt, werde ein "Ausschuss für Nachhaltigkeit" bei der abzuspaltenden Tochter "Siemens Energy" eingerichtet, der "sensible Projekte melden" soll. "Wir wissen, dass wir nicht optimal gehandelt haben", so der Konzernchef.
Einig waren sich Konzernführung und Aktionärsvertreter darin, dass ein Rückzug von Siemens aus dem umstrittenen Geschäft jetzt auch nicht mehr in Frage kommt. Es gehe nicht um 18 Millionen, sondern um Kundenvertrauen, sagte Kaeser.
Quartalsbilanz mit Minusteichen
Der "Reputationsschaden" war aber nur einer der Aufreger, welche die Aktionäre bewegten. Wahrscheinlich waren sie zur letzten ordentlichen Siemens-Hauptversammlung dieser Art geladen, denn der Vorstandschef hat den Konzern der "größten Transformation unserer 172-jährigen Geschichte" unterzogen.
Wenn alles so läuft wie geplant, wird Siemens in Zukunft aus drei Marken bestehen: Der Siemens AG mit den Geschäftsfeldern Digital Industries, Smart Infrastructure und Mobility, der bereits 2018 an die Börse gebrachten Siemens Healthineers und Siemens Energy GmbH, die schon bis März 2020 juristisch von der Siemens AG abgetrennt werden soll. Am 9. Juli sollen die Aktionäre über den sogenannten Spin-off abstimmen.
Da traf es sich freilich nicht so gut, dass ausgerechnet im ersten Geschäftsquartal, das bei Siemens vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2019 gerechnet wird, die Energiesparte gar keine gute Figur machte. Die Quartalsbilanz verzeichnete einige hässliche Minuszeichen.
Vor allem das Ergebnis der industriellen Geschäfte ging gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 30 Prozent zurück. Richten soll es jetzt der bisherige Co-Vorstandschef der Siemens Operating Company Gas and Power, Michael Sen, der Vorstandsvorsitzender der neuen Siemens Energie werden soll.
Mit der Aufspaltung schafft sich Vorstandschef Kaeser gleichzeitig selbst ab. Aufsichtsratsvorsitzender Jim Hagemann Snabe hielt daher schon eine Art Abschiedsrede für den seit 1. August 2013 amtierenden Konzernchef. Die meisten Vorsitzenden hätten sich gescheut, "gegen Ende ihrer Amtszeit" noch so große Veränderungen in Gang zu setzen, sagte Snabe und dankte Kaeser für sein "vorausschauendes Handeln" und dessen "Entschlossenheit".
Proteste vor der Olympiahalle

Hunderte Demonstranten haben die Eigentümerversammlung der Siemens AG begleitet. Mit einer Menschenkette und Plakaten mit Slogans wie "Siemens als Brandbeschleuniger für die Klima-Kriminellen" protestierten sie auf dem Olympia-Gelände in München. Luisa Neubauer von "Fridays for Future", die auch zur Hauptversammlung gekommen war, schrieb auf Twitter: "Hier geht es längst nicht mehr "nur" um eine Beteiligung an der Adani-Mine. Es geht um jedes einzelne Investment globaler Konzerne."
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