Ein Tag Justizbeamter: Minister Eisenreich auf ungewohnter Mission in München

München - Fesch schaut er ja schon aus, der Herr Minister, in seinem Wachtmeister-Outfit. Der ungewöhnliche Look von Justizminister Georg Eisenreich (50, CSU) an diesem warmen Junimorgen hat einen Grund.
Rollentausch für den Justizminister
In Gesprächen mit Uwe Vater, dem Landesvorsitzenden des Wachtmeisterverbandes, kam die Idee eines "Rollentausches" auf.
Der Minister wollte im Strafjustizzentrum an der Nymphenburger Straße einen halben Tag als Wachtmeister (inklusive passender Bekleidung) hospitieren und dabei ganz praxisnah die verschiedenen Arbeiten der 140 Justizbeamten und -angestellten kennenlernen.
Eisenreich als Wachtmeister
Vom Vorführdienst bis zur Poststelle, von der Sicherheitsschleuse bis zum Videovernehmungszimmer. Denn ohne Justizwachtmeister und -wachtmeisterinnen geht hier nix.
Eisenreich: "Sie sorgen für die Sicherheit aller Menschen, die im Strafjustizzentrum ein- und ausgehen. Sie haben alles im Blick. Sie versorgen die Richterinnen und Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte mit Unterlagen."
Wie wichtig die Wachtmeister für eine funktionierende Justiz sind, hat auch das vergangene Corona-Jahr gezeigt.

Schwierigkeiten während Corona
Es kam immer wieder bei Prozessen zu Verspätungen, weil die in U-Haft sitzenden Angeklagten nicht rechtzeitig in den Gerichtssaal gebracht werden konnten.
Der Vorführdienst hatte schlicht nicht die notwendigen Kapazitäten. Immerhin: Das Personal wurde bereits vor Corona aufgestockt, das Problem konnte so gelöst werden.
Die ersten Stationen des Minister-Praktikums: Sicherheitsschleuse am Eingang und die Pforte. Eisenreich wird von den Beamten aufgeklärt, wie die Kontrollen funktionieren, erfährt, wie gefährliche Gegenstände identifiziert werden können und wie an der Pforte die verschiedenen Zugänge zum Gebäude auf Monitoren kontrolliert werden.
Das Strafjustizzentrum war nicht für die Krise ausgelegt
Die Corona-Epidemie hat ein weiteres Problem deutlich gemacht: Die Räumlichkeiten im Strafjustizzentrum sind für solche Krisenzeiten nicht gemacht, die notwendige Reduzierung der Plätze in den Zuschauerräumen sorgte des Öfteren dafür, dass viele Interessierte, Angehörige oder Journalisten draußen vor den Gerichtssälen bleiben mussten.
Darauf angesprochen, berichtet der Minister, dass die Arbeiten am neuen Gebäude am Leonrodplatz gut vorankommen. Der Bau soll 2023 fertiggestellt werden.
Nach einer Probephase kann das neue Strafjustizzentrum nach und nach bezogen werden. Das dürfte viele Platzprobleme lösen.
Eisenreich ist optimistisch: "Mich freut, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bald auch ein modernes Gebäude bekommen und in das Strafjustizzentrum am Leonrodplatz umziehen."
Eisenreich besteht den Praxistest
Die nächsten Stationen: Nach dem Besuch der 22 Vorführzellen im Keller des Gebäudes sind die Einlaufstelle und die sogenannte Poststraße des Strafjustizzentrums die nächsten Stationen des Ministerpraktikums. Und siehe da, Eisenreich besteht den Praxistest.
Er erweist sich nicht nur als gekonnter Abstempler von einlaufenden Schriftsätzen, sondern hat auch schnell gelernt, wie man beim Packen unnötige Luftpolster in Paketen vermeidet.
Eisenreich: "Gürteltiere sind nicht schützenswert"
Und hier lässt sich Eisenreich von Wachtmeister Helmut Vogl, dem Leiter der Poststelle, auch erklären, was es mit den sogenannten Gürteltieren auf sich hat.
In der Poststraße ist das die Bezeichnung für besonders dicke mit einem Gurt zusammengebundene Akten, die im Haus verteilt werden müssen. Viel Papier, große Umstände.

"Gürteltiere sind nicht schützenswert", erklärt der ehemalige Digital-Minister Eisenreich. Und meint damit nicht die gepanzerten Säuger amerikanischer Herkunft.
"Bei meinem Besuch in der Poststation konnte ich selbst erleben, wie viel Papierpost im Strafjustizzentrum noch ein- und ausgeht", sagt der Minister.
"Wir werden die Digital-Offensive in der Justiz weiter vorantreiben"
Sein Plan: "Wir werden die Digital-Offensive in der Justiz weiter vorantreiben. Das verkürzt Verfahren, erspart Wartezeiten, erleichtert das Homeoffice und schützt in Zeiten der Pandemie auch die Gesundheit. Die Justiz will die Chancen der Digitalisierung nutzen." Ein Aspekt dabei: die Zunahme der Videotechnik bei geeigneten Prozessen. Oder bei Vernehmungen.
In der Linprunstraße ist ein Videovernehmungszimmer eingerichtet worden, dass es ermöglicht, Opfer von Sexualdelikten anzuhören, ohne dass sie mit ihren mutmaßlichen Peinigern in Kontakt kommen.
Auch hier geht nichts ohne technisch versierte Wachtmeister. Eisenreich fühlt sich bestätigt: "Die Berufsbilder der Justiz werden immer digitaler. So übernehmen die Wachtmeisterinnen und Wachtmeister zum Beispiel die technische Vorbereitung der Videokonferenzen."
Die Verantwortung in dem Beruf ist groß
Keine Frage, der Rollentausch hat Eisenreich Spaß gemacht. Und die Arbeit als Wachtmeister in den verschiedensten Funktionen hat ihm gezeigt, wie groß die Verantwortung in diesem Beruf ist. Ist ihm etwas besonders aufgefallen? "Vor allem hat mich der Zusammenhalt und der Teamgeist beeindruckt. In einem so hochsensiblen Bereich ist es wichtig, sich aufeinander verlassen zu können."
Und der Minister nutzt die Gelegenheit, sich bei dem Team "für seine wertvolle Arbeit" zu bedanken. Das werden Wachtmeister und Wachtmeisterinnen gerne gehört haben.
Sein Outfit wird Eisenreich aber trotzdem zurückgeben müssen. Schade eigentlich, steht ihm.