Ein Student (23) schießt und bombt für Geld

Der Münchner Vinh Bui Thanh verdient im Monat 2000 bis 3000 Euro mit „Counter-Strike”-Spielen.
MÜNCHEN Ninja wird fürs Töten bezahlt. Er ist lautlos, schnell und kreativ: Ob AK47, Schrotflinte, schallgedämpfte Glock-Pistole, Blend-, Rauch- und Sprenggranaten oder Messer: Es dauert nicht lang, höchstens 30 Sekunden. Er ist 23 – und quasi Profikiller.
„Ninja” heißt mit bürgerlichem Namen Vinh Bui Thanh. Mit seinem Clan „Mousesports” steht er an diesem Wochenende im Finale der Counter-Strike-Bundesliga der Electronic Sports League (ESL). 50000 Euro Preisgeld gibt’s für den Sieg, „Mousesports” wird sie wohl gewinnen. Das Fünf-Mann-Team gehört zu den besten der Welt, Thanh ist seit Januar dabei – und verdient jetzt 2000 bis 3000 Euro im Monat. Mehr als manche Sekretärin oder mancher Altenpfleger.
Bevor der VWL-Student zum Team gehörte, ballerte er 40 Stunden die Woche, fünf Jahre lang: „Talent gehört dazu, aber du musst auch sehr hart arbeiten.” Nach den Spielen sah er sich im Internet Partien von Profis an und lernte, wie man Granaten wirft, wo man am besten lauert und welche Strategien Top-Teams verfolgen – die Kunst des virtuellen Krieges. Und der geht so: Eine Runde dauert maximal fünf Minuten, auf Thanhs Niveau sind’s eher 30, 40 Sekunden. Dann ist eine Mannschaft „tot”, erledigt.
In der Finalrunde der ESL ProSeries gehen die Clans 30 Mal aufeinander los, je 15 Mal in zwei Welten, „Maps” genannt. Die einen sind im Spiel Terroristen, die eine Bombe legen, die anderen Polizisten,die sie dran hindern sollen. Das Spiel endet, wenn die Bombe explodiert oder ein Team tot am Boden liegt. Im Monitor sieht ein Spieler Unterarme vor sich und eine der Waffen, die er trägt, und das Gelände vor ihm – mit einem grünen Fadenkreuz in der Mitte. Ego-Shooter nennt man diese Spiele aus der Ich-Perspektive.
Während der Gruppenphase der Bundesliga-Playoffs spielt Thanh einmal die Woche – abends, nach der Uni und dem Lernen. Steht ein wichtiges internationales Turnier an, geht er mit seinen Kameraden ins „Bootcamp”, einer Art Jugendherberge für Gamer. Dort spielen, schlafen, duschen und kochen sie, manche Teams bleiben einen ganzen Monat zum trainieren, für die Verfeinerung der eigenen Taktik und die Analyse der Spielweise des Gegners. Thanhs Gegner im Halbfinale waren auch im Bootcamp, deshalb hat er viel von ihnen erwartet. Und dann das.
Im Halbfinale in der Münchner Tonhalle gewinnt sein Team 16:2 und 15:8 – ein Gemetzel. 300 Menschen haben’s gesehen: Auf Klappstühlen verfolgen sie in atemloser Stille die Spiele auf Großbildleinwand. Die meisten sind unter 18. Erlaubt ist es ab 16.
Von rund 1,5 Millionen Spielern in Deutschland gehören etwa 100 zum Elite-Kreis der ESL ProSeries, ein Dutzend können davon leben: Ausnahmetalente, bewundert wie Popstars. Wären Frauen da, hätten sie Groupies. Die Profi-Teams haben Geschäftsführer und Manager, die sich um Finanzen, Anfahrt und Hotels kümmern – und die Sponsoren klarmachen. „Mousesports” hat IT-Konzerne als Geldgeber und die Sylter „Sansibar”. Das beste Team der Welt namens „NaVi” aus der Ukraine finanziert ein kasachischer Millionär.
Als Willy (49), einer der Zuschauer in der Tonhalle, anfing, gab’s das noch nicht. Er zockt seit 1999, gleich geblieben ist nur das Spiel. „Es ist sehr taktisch”, doziert Willy, „da geht’s weniger ums Killen. Das glauben nur Laien.” Seit Jahren betet er das runter – trotzdem: „Wir haben immer noch einen schlechten Ruf. Aber in 15 Jahren wird das anders sein”, sagt Willy und zeigt auf die Zuschauer. „Dann sind die hier alle erwachsen.”