Ein Stadtteil ohne Klischees

Mein Viertel - AZ-Serie Folge 27: Die Friseurin Olga Weisheitinger über ein altes Liebesnest, historische Villen und Eigentum, das nicht zur Schau gestellt wird.
Seit 32 Jahren lebe ich in Harlaching – und kann mir kaum vorstellen, woanders hinzuziehen. Dieser Stadtteil hat einfach was. Zum Beispiel den FC Bayern. Dass dessen Trainingsgelände in der Säbener Straße liegt, weiß fast jeder Münchner. Dass das Harlaching ist, aber nicht. Viele Spieler und ihre Frauen leben in der Nähe. Auch sie wissen offenbar die Vorzüge des Viertels zu schätzen.
Das viele Grün. Die Nähe zur Isar. Den Tierpark Hellabrunn. Den Perlacher Forst, in dem man sich im Sommer zu Fuß oder per Rad, im Winter auf Skiern fortbewegen kann. Oder die Menterschwaige, den altehrwürdigen Biergarten, der lauschig zwischen Harlaching und Grünwald liegt.
Dort steht auch das Lola-Montez-Haus, das an Bayerns berühmteste Mätresse erinnert. Hier soll sie sich vor 165 Jahren mit König Ludwig I. vergnügt haben. Noch heute ein Tuschelthema. Dabei hat es als Liebesnest ausgedient. Jetzt kann man sich das Gemäuer für Geburtstags- oder Hochzeitsfeiern mieten.
Historische Villen gibt es in Harlaching viele. Etliche von ihnen stehen unter Denkmalschutz. Was wir aber auch beobachten: Alte Häuser werden abgerissen, weichen modernen Neubauten mit Wohnungen. Klar, das tut manchmal weh, schließlich verschwindet dabei immer auch ein Stück Ortsgeschichte. Ehrlicherweise muss man aber zugeben, dass nicht jedes alte Haus automatisch schön und erhaltenswert ist.
Außerdem bereichert der Zuzug von jungen Familien unseren von den Mieten her nicht ganz günstigen Stadtteil. So entsteht ein interessanter Mix, den ich auch in meinem Friseursalon in der Naupliastraße wahrnehme, wo vom Normalo bis zur Fußballergattin jeder willkommen ist.
Ein „Reichenviertel“ ist Harlaching nicht. Dass hier überdurchschnittlich viele Leute leben, die man als „gut situiert“ bezeichnen könnte, stimmt allerdings. Im Alltag fällt das jedoch kaum auf. Denn bei uns zeigt man seinen Reichtum nicht so sehr öffentlich, trägt ihn nicht demonstrativ vor sich her und zur Schau. Das finde ich sehr angenehm. Klischees pflegen wir hier nicht.