Ein Spenderherz vom Nikolaus
MÜNCHEN - Drei Monate lebte Kristine Schacht mit einem Kunstherz – bald darf sie nach Hause zu ihrem Mann Thomas und Tochter Emma. Vorher muss die Familie noch umziehen.
Die Erlösung kommt am zweiten Advent. Es ist Nikolausabend, gerade hat Thomas Schacht seine Tochter Emma schlafen gelegt, als das Telefon klingelt. Es ist seine Frau Kristine, die in der Herzchirurgischen Klinik der LMU liegt. Sie sagt: „Der Nikolaus hat mir ein Herz gebracht.“
Wenn Thomas Schacht von diesem Abend erzählt, ist seine sonst kräftige Stimme einen Moment lang brüchig. Zärtlich streichelt er seine vier Monate alte Tochter: „Auf einmal war am Ende des Tunnels Licht.“
In wenigen wochen verliert Kristine Schacht 25 Kilo
Der Tunnel, von dem er spricht, waren vier Monate voll Bangen und Hoffen. Die Tragödie beginnt kurz nach der Geburt von Tochter Emma, als plötzlich das Herz der Mutter zu schlagen aufhört. Ärzte retten ihr Leben, doch das Herz ist irreparabel geschädigt.
Wenige Wochen später pflanzen Ärzte der 40-Jährigen ein Kunstherz ein. Von diesem Moment an ersetzen zwei Pumpen auf einem Rollwagen die schlagende Lebensfunktion.
Die Strapazen hinterlassen Spuren. Kristine Schacht verliert 25 Kilo, ist blass. Und nicht nur körperliche Schmerzen plagen sie. Thomas Schacht: „Wie schwer muss es für eine Mutter sein, die die ersten Monate ihrer Tochter nur vom Krankenhausbett aus erlebt?“
Doch Kristine Schacht sagt Ja zum Leben. Im Oktober heiratet sie im Beisein von Freunden und Familie ihren Mann – in der Klinik (AZ berichtete).
"Patienten, die schon seit 20 Jahren gut mit einem Spenderherz leben"
Als zwei Monate später der Tag der Transplantation gekommen ist, geht alles ganz schnell. Thomas Schacht fährt ins Krankenhaus Großhadern, redet mit seiner Frau, begleitet sie bis zur OP-Schleuse. Die beiden verabschieden sich mit einem Kuss. Dann noch einmal banges Warten. Wird alles gut gehen?
Es geht gut.
Mittlerweile wird Kristine Schacht bereits auf der Normalstation behandelt. Sie erholt sich von den Anstrengungen, sammelt Kraft. Noch hat sie Schmerzen, die Muskeln sind vom langen Liegen schwach und sie fühlt sich schlapp. Nur Medikamente verhindern, dass ihr Körper das fremde Organ abstößt. Aber in ihrer Brust schlägt ein gesundes Herz.
Ralf Sodian, Oberarzt der Herzchirurgie, ist zufrieden mit der Heilung – das Organ funktioniert gut. „Momentan erinnert zwar alles noch an Krankheit, aber in einem Vierteljahr sieht die Welt schon ganz anders aus. Ich kenne viele Patienten, die schon seit 20 Jahren gut mit einem Spenderherz leben." Selbstverständlich müsse man Infektionsgefahren aus dem Weg gehen. Ralf Sodian ist am Ende noch eine Bemerkung besonders wichtig: „Das eine ist, was wir chirurgisch leisten können. Das andere ist der persönliche Zuspruch. Wie die Familie die Patientin unterstützt hat, ist wirklich außergewöhnlich.“
Im Januar könnte Kristine Schacht mit der Reha beginnen – der erste Schritt zurück in ein gesundes Leben. Um nach einigen Wochen endlich zurück nach Hause zu kommen. Zu ihrem Mann und ihrer Tochter.
Vorher wird die Familie umziehen müssen. Die jetzige Wohnung in Johanneskirchen liegt im dritten Stock – ohne Aufzug. Diese Anstrengung ist für die einst so sportliche Herzpatientin zu groß. Deshalb sucht Thomas Schacht dringend ein neues Heim. Wer dabei helfen kann, schreibt bitte eine E-Mail an lokales@abendzeitung.de.
Vanessa Assmann