Ein Schrumpfkopf vor Gericht
München - Am Ende der Verhandlung war die Enttäuschung mit Händen greifbar. Viele Prozessbeobachter hatten sich von dem Prozess mehr versprochen. Vor allem die Antwort auf die Kernfrage: Ist ein Schrumpfkopf ein Leichenteil im Sinne des bayerischen Bestattungsgesetzes oder doch eher ein Kunstwerk, das frei gehandelt werden kann?
Vor dem Verwaltungsgericht wurde am Donnerstag aber nur ein Nebenkriegsschauplatz beackert. Das Münchner Auktionshaus Hermann Historica hatte gegen einen Bescheid der Stadt geklagt, die einen Auskunftsanspruch in der Sache geltend gemacht hatte.
Die Behörde wollte prüfen lassen, woher der Kopf stamme und ob er echt sei. Im Katalog des Auktionshauses war der Kopf so beschrieben worden: „Schön erhaltener eindrucksvoller Schrumpfkopf. Ein eindringliches Zeugnis für den bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhundert ausgeübten Brauch der Kopfjagd unter den südamerikanischen Indianerstämmen. Ungewöhnlich ist hier der außerordentlich feine, auffällig gefärbte Haarschopf.“
Anwalt Walter Kaiser ergänzte, dass der Kopf wohl aus dem 19. Jahrhundert und aus dem Amazonasgebiet stamme. Mindestgebot für Los Nummer 3418: 2500 Euro. So hoch sollte auch das Zwangsgeld ausfallen, falls das Auktionshaus den Schrumpfkopf der Behörde nicht zur Verfügung stellen würde.
Die Verwaltungsleiterin des Münchner Friedhofsamtes hatte im Mai 2014 mit Telefonaten und Emails immerhin erreicht, dass der Schrumpfkopf gar nicht erst zur Versteigerung kam. Das Auktionshaus zog ihn vorsorglich zurück. Und schickte das strittige Objekt zurück an seine Eigentümer, einen Stuttgarter Sammler. Die Auktionäre hatten so zwar am Ende dem Druck der Stadt nachgegeben, trotzdem war man von Amts wegen unzufrieden.
Die Friedhofsverwaltung hätte den Schrumpfkopf allzu gerne von Experten untersuchen lassen. Sie wollte nun den Namen des Stuttgarter Eigentümers. Widerstrebend gab das Auktionshaus nach. Für die Zukunft wollte Hermann Historica aber eine richterliche Entscheidung erwirken, ob es rechtens sei, tatsächlich solche Kundendaten herausgeben müssen.
Das war schnell geklärt. Das Auktionshaus muss: Laut Bestattungsgesetz besteht ein solcher Auskunftsanspruch der Behörde, erklärte das Gericht. In so einem heiklen Fall sei das Auktionshaus dazu verpflichtet, den Namen und den Wohnort des Besitzers herauszugeben. Ebenso muss gesagt werden, wo der Schrumpfkopf herstammt und wie alt er ist. Die Klage habe keinerlei Aussicht auf Erfolg.
Spannender war da schon die ebenfalls diskutierte Frage, ob die Versteigerung eines Schrumpfkopfes gegen die Menschenwürde verstoße. Anwalt Kaiser argumentierte, dass man dann wohl auch Mumien oder Moorleichen nicht in Museen ausstellen dürfe. Bei einer Auktion gehe es aber nur um den „schnöden Mammon“ hielt ihm die Richterin entgegen. Nur wissenschaftliches Interesse könnte aber eine Ausnahme von der Bestattungspflicht begründen.
Und was sei mit den Präparaten eines von Gunther von Hagen, erwiderte der Anwalt. Müssten die Exponate, die Leichenteile verwenden, nicht gemäß Bestattungsgesetz ebenfalls alle begraben werden? Auch das Münchner Museum der fünf Kontinente hat einen Schrumpfkopf im Depot. Der werde aber „aus grundsätzlichen Erwägungen“ nicht ausgestellt. Anders in der Schweiz. In St. Gallen schaffte sich das örtliche Völkerkundemuseum 2010 sechs Schrumpfköpfe an. Ohne große Diskussionen.
Ob die jetzt zuständige Stuttgarter Verwaltung – sie wurde von ihren Münchner Kollegen inzwischen über den Fall informiert – ähnlich gelassen bleibt?
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