"Ein reines Luftschloss": Was jetzt am Münchner Großmarkt droht

München - Schon 2009 traf der Stadtrat für den Münchner Großmarkt in Sendling eine Entscheidung: Er soll trotz der anstehenden Sanierung mitten in der Stadt bleiben. Heute – 16 Jahre später – scheint alles wieder offen.
Vor etwa drei Jahren hat der Investor Ralf Büschl den Betreiber des Großmarktes das "Umschlagzentrum Großmarkt München" gekauft. Jetzt will Büschl den Großmarkt wieder los werden. Das hat die Agentur Heller und Partner, die die Pressearbeit für Büschl übernimmt, der AZ am Donnerstag bestätigt, ist aber bemüht, die Aufregung herunterzudampfen.
Investor will Großmarkt München verkaufen: Trotzdem soll die Halle bis 2030 fertig sein
Die Agentur schreibt: "Es ist das ganz normale Geschäft eines Projektentwicklers, Vorhaben zu planen, Baurecht zu schaffen und dann zu verkaufen. Das passiert bei Wohnimmobilien genauso wie bei Gewerbeobjekten." Und weiter: "Die Büschl-Gruppe als Projektentwickler wird (...) die Immobilie, in diesem Fall genauer gesagt, den Erbbaurechtsvertrag, an einen langfristig orientierten Kapitalanleger verkaufen. Wann steht nicht fest."
Nachdem die Nachfrage in den vergangenen Monaten aus dem In- und Ausland größer geworden sei, sei Logivest als Makler eingeschaltet worden. Aber "natürlich" betreibe die Büschl-Gruppe die Planung weiterhin und unverändert allein und eigenverantwortlich. Wenn alles, wie geplant laufe, werde die neue Halle bis 2030 fertig sein.
Dass Büschl, der in München vor allem bekannt ist, weil er neue Wohnquartiere plant, das Projekt verkaufen würde, hatten viele erwartet. Allerdings überrascht der Zeitpunkt offensichtlich doch. Die Grünen wollen jetzt erst mal beraten, bevor sie sich äußern.
Aus der SPD-Fraktion hört man, dass es durchaus Sorge gibt, wer den Großmarkt künftig betreibt. Verkauft Büschl an eine anonyme Fondsgesellschaft im Ausland, dürfte das die Verhandlungen nicht einfacher machen.
Händler bleibt gelassen: "Hauptsache der Quadratmeterpreis passt"
Zumindest Stefan Hausruckinger, der seit 35 Jahren auf dem Großmarkt mit Obst handelt und mit im Vorstand des Bayerischen Fruchtverbands sitzt, sieht den geplanten Verkauf gelassen. "Wer am Ende, den Großmarkt baut, ist egal – so lange der Quadratmeterpreis passt und ein vernünftiger Großmarkt gebaut wird", sagt er zur AZ.
Schon aus den letzten Gesprächen habe er herausgehört, dass Büschl verkaufen wolle. Das Problem sei doch: "Bis jetzt ist der neue Großmarkt ein reines Luftschloss. Dass er gebaut wird, glauben wir erst, wenn die Tinte trocken ist."

Denn zwar hat Büschl die Pläne für den neuen Großmarkt der Stadtgestaltungskommission präsentiert. Entstehen soll, wie die AZ berichtete, eine schmucklose, funktionelle Halle. Doch ansonsten ist praktisch alles offen. Im Herbst hatte Büschl um einen Aufschub bis Mitte Juli gebeten, ein finales Angebot bei der Stadt einzureichen. In der nicht-öffentlichen Vorlage von damals lässt sich nachlesen, dass das Finanzierungskonzept seitens des Investors fehlte.
Offensichtlich machte das Kommunalreferentin Jaqueline Charlier (parteilos) nervös. Denn sie holte sich vom Stadtrat das Okay ab, sich nach Alternativen umzuschauen. Im Februar soll sie die präsentieren.
Vom Badsee bis sozialer Wohnungsbau – alles möglich
Komplett ausgeschlossen ist es nicht, dass der Stadtrat die Frage, ob der Großmarkt mitten in die Stadt gehört, dann mit nein beantwortet. Im AZ-Interview erinnerte OB Dieter Reiter (SPD) daran, dass die Flächen, auf denen der Großmarkt und der Schlachthof stehen, der Stadt gehören. Auf diesen, so Reiter, könnte die Stadt alles machen – vom Badesee bis zum sozialen Wohnbau.
Die SPD-Fraktion führt nun seit Wochen Debatten – mit offenem Ausgang. Der OB wiederum will die Vorgänge – vor dem Hintergrund, dass das Vergabeverfahren noch bis Juli läuft – nicht kommentieren.
In jedem Fall ist die Stadt noch ein paar Jahre gebunden. Sie hat die Flächen in Erbpacht vergeben. Aus dem Rathaus heißt es, dass ein Vertrag noch bis zirka 2040 läuft. Die Stadt müsste außerdem ein Grundstück finden, einen Großmarkt planen und bauen – und gleichzeitig den bestehenden maroden Markt weiter sanieren.
Manuel Pretzl: "...oder der Großmarkt stirbt"
CSU-Chef Manuel Pretzl ist sich deshalb sicher: Entscheidet sich der Stadtrat, doch nach einem neuen Standort zu suchen, ist es mit dem Münchner Großmarkt vorbei. "Entweder dieses Projekt wird realisiert oder der Großmarkt stirbt." Pretzl würde das bedauern. Er stehe weiterhin hinter dem Großmarkt in Sendling – und hat keine Zweifel am Investor.
Es zeuge eher von Weitblick, dass sich Büschl, von dem ja immer klar gewesen sei, dass er selbst keinen Großmarkt betreiben will, sich frühzeitig auf die Suche nach einem Käufer mache.

Anders bewertet das Linken-Chef Stefan Jagel: "Wir sagen seit Jahren, man hätte auf Privatinvestoren verzichten sollen und als Stadt tätig werden müssen." Grün-Rot lasse dem Grünwalder Investor alles durchgehen. Dabei kriege er seit Jahren nichts gebacken.
Händler: "Bei uns ist die Haltung gespalten"
Doch Fruchthändler Hausruckinger hat die Pläne, die Stadt einst für den Großmarkt erstellen ließ, nicht positiv in Erinnerung. Der Markt hätte so nicht funktioniert, ist er sich sicher. Also doch besser auf der grünen Wiese neubauen? "Da ist die Haltung bei uns gespalten", sagt er. Womöglich seien auf dem Land die Kosten günstiger.
Anderseits hätten viele, die auf dem Großmarkt arbeiten, keinen Führerschein. Alleine aus seinem Team könnten 15 von 30 Mitarbeitern nicht pendeln. "Das ist alles sehr komplex", sagt er. Abgeschlossen ist die Diskussion jedenfalls noch lange nicht.