Ein Protestlied gegen den Wohnwahnsinn
„Wohnen trotz München“: Ein 25-jähriger Student wohnt bei seinen Eltern im Keller, will aber eigentlich ausziehen. Wie er musikalisch eine Bleibe sucht.
München - In Neukeferloh im Osten Münchens spürt man vieles, aber sicher nicht den Puls der Stadt. Deshalb taugt es Philip Röder dort auch nicht mehr so recht. Der 25-jährige Student wohnt bei seinen Eltern im Keller, will aber eigentlich ausziehen, rein ins Zentrum, selbstständig sein. „In jeder anderen Stadt hätte ich das schon längst geschafft.“ In München kommt er nicht weit.
Philip hat einen 400-Euro-Job und verdient sich mit Musikproduktion etwas dazu, für eine Wohnung könne er monatlich 450 Euro ausgeben, sagt er. „Da kommt ja in München überhaupt erst jedes fünfzigste Angebot infrage.“ Seit Monaten ist er auf der Suche. In fünf WG-Castings hat er es mittlerweile geschafft, unzählige Mails geschrieben - ohne Erfolg. Da entschließt er sich zum Protest.
Es ist ein Sonntagvormittag, als Philip mal wieder eine WG-Absage kriegt. Dabei hatte er eigentlich ein gutes Gefühl. Daraus wird nun Frust. Und Musik. „Ich hab mich hingesetzt, einen Text aufgeschrieben und Akkorde dazu gespielt“, erzählt Philip. „Ich wollte die Münchner Wohn-Misere künstlerisch pointiert auf den Punkt bringen.“
Am nächsten Tag nimmt er das Lied in seinem kleinen Heimstudio auf, fährt zu einem Kumpel und produziert dort noch ein Video dazu (siehe unten). Um vier Uhr nachts ist der Song fertig. Er klingt eingängig, einfach und ziemlich poppig – dafür ist es auch ein Ohrwurm geworden. Und ein augenzwinkernder Protestsong gegen den Münchner Wohnwahnsinn.
Im Text spielt Philip mit dem Klischee der Schickeria und deren ausufernden Partys bis zum Exzess: „Schampus, Shrimps und Kokain, werden nachher in die Isar gschbim.“ Er lässt seinen Frust raus: „In dieser Stadt wird ungeniert, die Armut einfach exportiert.“ Ob er denn Häuser besetzen oder eine reiche Frau heiraten müsse, um ein Zimmer in München zu bekommen, fragt er und singt dann im Refrain über fröhliches G- und C-Dur: „Ich will doch nur ne WG – Spiel, Spaß und Spannung und ein Dach über dem Kopf".
Das Lied bekommt den Titel „Wohnen trotz München“, das Motto einer Facebook-Gruppe zur WG-Suche. Dann lädt Philip den Protestsong auf eine Videoplattform im Internet, schreibt Nachrichten, verschickt Mails. Tausende schauen sich das Musikvideo an.
Wenige Tage später hat Philip Röder zwar noch immer keine WG, aber eine Menge Unterstützer. „Ich hab viel Feedback auf meine Aktion erhalten“, sagt er. „So viele junge Leute in München haben das gleiche Problem und das Gefühl, dass keiner was unternimmt. Vielleicht hört endlich mal jemand hin, wenn die Botschaft kreativ in einem Song daherkommt.“
Auch an einige Münchner Politiker hat er das Video geschickt, bisher hat niemand geantwortet. Doch noch will Philip Röder nicht aufgeben. Mittlerweile ist ihm der Protest sogar wichtiger als die eigene Suche. „Ich werd schon irgendwann ein WG-Zimmer finden“, sagt er. „Aber das Problem ist ja ein viel größeres: der Münchner Wohnwahnsinn.“ Und der hat jetzt eine Melodie.
Hier sehen Sie das Protest-Video von Philip Röder:
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