Ein Münchner Zehntklässler zieht in den Krieg

München – Zwei Stunden lang hat der Rektor des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums versucht, den Zehntklässler umzustimmen. Auch seine Münchner Freunde haben auf den 18-Jährigen eingeredet. Immer wieder. Vergeblich. Sie konnten Dimitri nicht umstimmen. Seit Dienstag lässt er sich im Lager eines ukrainischen Freiwilligenbataillons in der Oblast Winniza zum Kämpfer ausbilden. „Ich will nach Donezk“, sagt der Teenager.
Dimitri ist in Donezk geboren und kam 2012 mit seiner Mutter als Spätaussiedler nach München. Er ging aufs Gymnasium, hatte gute Aussichten auf ein ordentliches Abitur, integrierte sich.
Dann begannen die Kämpfe in der Ukraine, seinem Heimatland. Anfangs sammelte Dimitri vor der Ukrainisch griechisch-katholischen Kirche in der Schönstraße Spenden für die Armee. Als er in einem Video sah, wie seine frühere Schule zerbombt wurde, reichte ihm das nicht mehr. „Ein Lehrer wurde dabei getötet. Ich konnte einfach nicht glauben, dass dieser Platz meiner Kindheit zum Schlachtfeld wird“, sagte der junge Mann einem Team des NDR-Magazins „Panorama“. „Ich kann dagegen von München aus nichts machen.“ Er habe sich hilflos gefühlt, ratlos. Das war der Moment, an dem er beschlossen habe, in den Krieg zu ziehen.
„Ich will mein Land verteidigen. So wie es notwendig ist. Also leider mit der Waffe“, sagt Dimitri. „Ich bin bereit für die Ukraine zu sterben und für den Donbass, für Donezk.“ Seine Mutter habe diesen Schritt zwar sehr emotional aufgenommen, akzeptiere aber seine Entscheidung.
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Den Kampfanzug für die Ausbildung beim Freiwilligenbataillon musste er aus Deutschland mitbringen. Er hat ihn in einem Armyshop am Hauptbahnhof gekauft. Am Sonntag ist er von dort in Richtung Ukraine aufgebrochen. Am Dienstag hat er das Camp im Westen des Landes erreicht. Die Ausbildung dauere mehrere Wochen, sagt Dimitri, der nicht daran glaubt, dass der Krieg friedlich beendet werden kann. Er gibt Putin die Schuld dafür: „Unser Krieg ist ein Verteidigungskrieg gegen imperialistische Ambitionen von Putin und anderen russischen Imperialisten.“
In Donezk wird der Gymnasiast vielleicht seine Großeltern wiedersehen. Vielleicht. Denn schon in München war der Kontakt fast eingeschlafen, „weil sie ja die andere Seite unterstützen“, sagt Dimitri. „Es ist für mich sehr schwer, mit ihnen zu kommunizieren. Sie stammen aus Russland.“
Genau wie sein Vater, der zu den Separatisten hält, womöglich nicht nur verbal. Doch mit ihm hat Dimitri längst gebrochen. „Er hat unsere Familie verlassen, als ich sechs Jahre alt war. Ich nehme ihn als Vertreter meiner Feinde an“, sagt der Teenager. „Er war immer feindlich zu mir, auch vor diesem Konflikt. Da hat sich praktisch nicht viel geändert.“
Die Lage in Donezk ist trotz der vereinbarten Waffenruhe unübersichtlich: OSZE-Beobachter bestätigten, dass sie am Donnerstag mehrmals Artilleriesalven in der Separatistenhochburg gehört hätten. Der Stadtrat teilte mit, dass eine Frau getötet worden sei.
Ein Interview mit Dimitri finden Sie im Internet auf daserste.ndr.de/panorama/