Ein Münchner tauscht sich hoch

Der TU-Student Philipp Christov will Flüchtlingen helfen – und startet ein außergewöhnliches Projekt.
von  Lisa Marie Albrecht
Aktuelles Tauschobjekt: Ein luxuriöser Rucksack von Joshua Lee.
Aktuelles Tauschobjekt: Ein luxuriöser Rucksack von Joshua Lee. © privat

Ein 23-jähriger Student will Wertloses zu Wertvollem machen – und damit Flüchtlingen in München helfen.

München – Angefangen hat alles mit zwei leeren Kidneybohnen-Dosen und einer Schnur. Damit Philipp Christov abhörsicher mit seiner Nachbarin telefonieren kann, bastelt er daraus ein Dosentelefon, das jedoch schon bald ziemlich nutzlos in der Ecke steht. Zumindest bis zum 11. April 2015, als sich der TU-Student entschließt, ein Projekt zu starten, für das die eigentlich wertlose Bastelei den Grundstein legt: Hochtauschen gegen Krieg.

Er verfolgt die Nachrichten über Flüchtlinge, die ihr eigenes Land verlassen müssen und nach Deutschland kommen – und will irgendwann nicht mehr nur zuschauen. Philipp Christov sagt: „Mir wird schlecht, wenn ich mitbekomme, dass jemand sein Potenzial nicht entfalten kann, nur weil irgendwelche Leute meinen, dass Korruption oder Gewalt und Krieg die gerechtfertigten Mittel sind, um ihre Interessen zu verfolgen.“

Die Tausch-Idee stammt, zugegeben, nicht von ihm: Der Kanadier Kyle MacDonald ist damit berühmt geworden, dass er eine rote Büroklammer gegen etwas tauschte, das nur ein kleines bisschen mehr wert ist. Und das dann wiederum gegen etwas, das wieder ein bisschen mehr wert ist, und das dann wieder gegen... Das Prinzip ist klar. Der Kanadier hat es geschafft, sich mit einer einzigen Büroklammer so weit hochzutauschen, dass er es am Ende schließlich bis zu einem eigenen Haus brachte.

Nicht schlecht, denkt sich Philipp und startet sein Projekt nach dem gleichen Prinzip. Mit einem entscheidenden Unterschied: Der Erlös soll nicht ihm selbst zugute kommen, sondern denjenigen, die in ihrer eigenen Heimat nicht mehr sicher sind. Auch deshalb hat er das Dosentelefon als ersten Tauschgegenstand gewählt: „Ein Telefon verbindet Menschen miteinander, und ich wollte eine symbolische Verbindung schaffen zu den Flüchtlingen, die sich in Deutschland wohl fühlen sollen.“

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Tatsächlich dauert es überhaupt nicht lange, bis der erste Tausch zustande kommt. Philipp ist auf dem Weg ins Fitnessstudio, läuft etwa eine halbe Stunde durch Schwabing und die Maxvorstadt und fragt, wer Interesse an einem Dosentelefon hat. „Die Leute dachten wahrscheinlich, ich sei betrunken“, erzählt er lachend. Schließlich trifft er auf Susanne, die Kinderzimmer ausstattet, und tauscht das Telefon gegen ein Gipsabdruckset für Babyhände. Der Anfang ist gemacht.

Zehn Tage später wechselt das Babyhandabdruckset den Besitzer, und Philipp bekommt einen Haarschnitt – genauer, einen Gutschein für einen Herrenhaarschnitt im Wert von 70 Euro, zur Verfügung gestellt vom Münchner Edelfriseur „Lippert’s“. „Langsam kribbelt’s“, schreibt er auf seiner Website (www.dasdosentelefon.de). Er tauscht weiter, bekommt für den Gutschein einen „Shoutout“, also qasi eine öffentliche Empfehlung auf der Online-Plattform Instagram.

Der Designer Joshua Lee reagiert und spendiert einen Luxusrucksack. Wert: Zwischen 600 und 800 Euro. Verstrichene Zeit seit Beginn des Tauschprojekts: Sechs Monate. Seitdem sucht der Student nach dem nächsten Tauschpartner, mittlerweile geht das nur mit Vorbereitung und gezieltem Anschreiben – denn die wenigsten tragen auf der Straße etwas im Wert von mehr als 800 Euro bei sich.

Ein Jahr hat Philipp dem Projekt gegeben, sein Ziel sind mindestens 10 000 Euro. „Wenn am Ende wirklich ein Haus dabei rauskommt, wäre das natürlich der Hammer. Obwohl man schauen muss, wo es dann stehen würde. Es ist nicht so geschickt, wenn an einem Ort mehrere Flüchtlingsheime sind, man müsste es irgendwie gleichmäßig verteilen.“ Wenn er Geld zusammen bekommt, soll es in Nahrung, Medikamente und Bildung gehen. Was er niemals als Tausch annehmen würde? „Eine Waffe, natürlich“.

Trotz des ernsten Hintergrunds macht ihm seine Art des Spendensammelns großen Spaß und er hofft, mit seiner Aktion vielleicht einen anderen Zugang zum Thema zu schaffen, als das Nachrichten oder Vorträge können. Er hat sich schon viele Pläne zurechtgelegt, was er wie tauschen müsste, um sein Ziel zu erreichen. Und kommt zu dem Ergebnis: „So abstrus ist es gar nicht. Es hängt eben von den Leuten ab.“

Wer Philipp bei seinem Projekt unterstützen möchte, kann auf seiner Website www.dasdosentelefon.de oder auf der Facebookseite mit ihm in Kontakt treten.

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