Ein Münchner im Festzelt-Himmel

Wie das Hofbräuzelt der Wirte-Familie Steinberg zu seinen Wahrzeichen kam - zum sieben Meter grossen Aloisius und zur Hopfen-Dekoration aus alljährlich 12 000 erntefrischen Reben.
Soeben ist der zweite Lastwagen vor dem Hofbräuzelt angekommen - bis obenhin beladen mit grüner duftender Fracht: 600 Hopfenreben, allesamt sechs bis sieben Meter lang. Gut 600 weitere türmen sich bereits drinnen im Festzelt.
"Ist das nicht ein Traum", sagt Wiesn-Wirt Günter Steinberg und legt sich lachend in einen Reben-Berg: "Wenn der Hopfen angeliefert wird, weiss ich jedes Jahr, dass es bald wieder losgeht." Das Oktoberfest, das die Hofbräu-Festhalle alljährlich mit einmaliger Dekoration erstrahlen lässt - kunstvoll dekoriert mit 15 Zentnern Hopfen, erntefrisch angeliefert aus Wolnzach.
"Das ist die robuste Bittersorte ,Brewers Gold', die sich mit fülligen Dolden und eher wenigen Blättern perfekt zum Dekorieren eignet", erzählt Hopfenbauer Georg Holmhey, während er mit fünf Helfern die Reben ins Zelt wuchtet. Dort sind weitere 15 Frauen und Männer fleissig zugange. Die einen schmücken die Boxen und binden 40 grosse Kränze. Die anderen stehen in luftiger Höhe auf Leitern und verkleiden die Zeltmaste mit üppigen Hopfen-Gebinden.
"Dieser Duft, der einem von all den Reben in die Nase strömt, ist wunderbar", sagt Günter Steinberg mit strahlenden Augen: "Der Hopfen, der auch für ein gutes Klima in unserem Zelt sorgt, ist zu unserem Wahrzeichen geworden." Wiesn-Wirtin Margot Steinberg nickt: "Wie unser Aloisius an der Zeltdecke!"
Dort hängt wie jedes Jahr die sieben Meter grosse Nachbildung des legendären Dienstmanns Nummer 172, der dafür verantwortlich ist, dass die Bayerische Staatsregierung noch immer auf die göttliche Eingebung wartet. "Während der Wiesn ist er Zielscheibe von allerlei Utensilien, die Festgäste nach oben werfen - vom T-Shirt bis zum BH", erzählt der Festwirt schmunzelnd und widmet sich seinem alljährlichen Ritual: der Suche nach einem ganz besonderen Hopfen-Sträusschen.
Günter Steinberg schnappt sich so manche Rebe, zupft hier an einem Blatt, dort an einer Dolde und kann sich nicht entscheiden. Schliesslich geht es ja auch um die Wahl seines Talismans. "Jedes Jahr, wenn der Hopfen angeliefert wird, suche ich mir ein hübsches Büscherl zusammen - und das kommt dann an den Rückspiegel meines Autos." Von einer Wiesn bis zur nächsten bleibt der Hopfen dort hängen, "wo er mich immer ans Oktoberfest erinnert."
Auf der Wiesn ist die erfolgreiche Wirte-Familie Steinberg bereits seit 1970: Zehn Jahre führte Günter Stein-berg zunächst das Wienerwald-Zelt (mit nur 430 Plätzen) seines Schwiegervaters, des unvergessenen "Hendl-Königs" Friedrich Jahn. 1980 übernahmen Günter und Mar-got Steinberg dann das knapp 10 000 Plätze grosse HB-Zelt. Dieses haben die engagierten Wirte gründlich auf Vordermann gebracht, verschönert und zusammen mit ihren Kin-der Ricky und Silja, die seit Jahren tatkräftig mitarbeiten, zu einem der beliebtesten Wiesn-Zelte gemacht.
"Dass wir heuer schon unser 30-jähriges Jubiläum im Hofbräuzelt feiern, können wir selbst kaum glauben", sagt Margot Steinberg. Ihr Mann nickt und lacht: "Das hätte viel Bier gegeben! Für eine Mass braucht man etwa 100 Gramm Hopfen. Aus all dem Hopfen, der bei uns im Zelt hängt, könnte man alljährlich so viel Bier brauen, wie während der gesamten Wiesn in unserem Zelt getrunken wird." Gute 6700 Hektoliter!
"Wir fiebern der Wiesn schon entgegen", sagt Günter Steinberg und nimmt einen Schluck Apfelschorle aus einem ganz besonderen Krug. Aus dem neuen Festwirtskrug des Hofbräuzelts, den alljährlich ein Prominenter gestaltet. Heuer wurde er von oberbürgermeisterlicher Hand gezeichnet - von OB Christian Ude. Ohne Frage wird auch dieser farbenfrohe Wiesn-Krug wieder zum begehrten Sammlerobjekt.
Alle Infos rund ums Zelt
Größe: Insgesamt 9992 Plätze im HB-Festzelt und im Garten, darunter ein Stehplatzbereich vor der Musik.
Spezialität: Aufgrund der Wienerwald-Tradition der Wirte-Familie natürlichmit Petersilie und Butter zubereitete Wiesn-Hendl! Außerdem: Schweinshaxn, Spanferkel, Bauernente und Spareribs.
Publikum: Ganz bunt gemischt; ein Münchner Bierzelt mit internationalem Flair. Das Hofbräu- Festzelt gilt als „Größter Stammtisch der Welt“.
Annette Baronikians