Ein Macher mit Gefühl und Härte

Mit offenen Armen und großem Interesse begrüßen die Münchner ihren neuen Bischof. Wer ist dieser Reinhard Marx? - Die AZ porträtiert den neuen Oberhirten.
von  Abendzeitung

Mit offenen Armen und großem Interesse begrüßen die Münchner ihren neuen Bischof. Wer ist dieser Reinhard Marx? - Die AZ porträtiert den neuen Oberhirten.

VON ROLF SEYDEWITZ

Der Bettler wird den Bischof vermissen. Wann immer Reinhard Marx in den Trierer Dom ging, blieb er auf ein Schwätzchen bei Gunther Peukert am Hauptportal stehen. Reinhard Marx kennt keine Berührungsängste. Er kann mit dem Bettler. Und er kann mit Bundespräsident Horst Köhler oder Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel. Marx kann eigentlich mit jedem. Mit fast jedem.

Mit Gotthold Hasenhüttl etwa, dem rebellischen Theologie-Professor aus dem Saarland, konnte Marx nicht. Hasenhüttl hatte vor fünf Jahren auf dem Ökumenischen Kirchentag in Berlin Protestanten zur Kommunion eingeladen. Aus Sicht vieler katholischer Kleriker eine Sünde. Der in Glaubensfragen streng konservative Bischof zauderte, um seinen Mitbruder schließlich doch zu suspendieren. Anfang 2006 entzog er Hasenhüttl noch die kirchliche Lehrerlaubnis. Das brachte Reinhard Marx Schlagzeilen. Und es machte Eindruck in Rom.

Jüngster Oberhirte im ältesten Bistum

Schon in den achtziger Jahren als Student war Marx aufgefallen. Er promovierte, wurde Professor für Christliche Gesellschaftslehre, dann Weihbischof von Paderborn und im Dezember 2001 schließlich jüngster Bischof in Trier, im ältestem Bistum Deutschlands.

„Bischof von Trier zu sein ist eine Lebensaufgabe", sagte Marx seinerzeit. Das glaubte ihm nicht jeder. Da wurde bereits getuschelt: „Der da bleibt nicht lange.“ Es wurden immerhin sechs Jahre.

Bald auch Vorsitzender der Bischofskonferenz?

„Marx war schon immer zu Höherem berufen", sagen gute Freunde, die mit ihm studiert haben. Er wurde für alle bedeutenderen Bischofsstühle gehandelt. Dass es nun München wurde, mag ihn überrascht haben. Keine Frage aber ist, dass er sich das Amt zutraut. Und wenn es sein muss, auch noch die Lehmann-Nachfolge. In zwei Wochen wählt die Bischofskonferenz einen neuen Vorsitzenden. Offiziell sagt Marx freilich, er sei nicht sauer, wenn der Kelch dieses Mal noch an ihm vorübergehe. Ehrgeiz ist ihm jedenfalls nicht fremd.

Reinhard Marx ist gesellig, er trinkt gern ein Gläschen Wein und er mag seine Zigarre. Der 54-jährige Westfale, er wurde 1953 in Geseke als Sohn eines Schlossermeisters geboren, gerät dann schnell ins Plaudern, und er unterhält mit kräftiger Stimme und ansteckendem Lachen mühelos größere Runden.

Dem luxemburgischen Premierminister Jean-Claude Juncker bot er mal an, bei dessen Begräbnis die Messe zu zelebrieren. Aber nur, wenn sich der Premier auch in Deutschland beerdigen lasse.

"Bayern nicht unbedingt das gelobte Land"

Er mag klare Worte und pflegt einen feinen Humor. Dass ein wenig Diplomatie der Sache mitunter förderlicher ist, daran musste sich Marx in seinem alten Bistum erst gewöhnen. „Da habe ich den einen oder anderen durch meine direkte Art verschreckt“, sagt er. Und auch bei seinem ersten Auftritt in der neuen Diözese lernte er die bayerische Empfindlichkeiten kennen: Dass „Bayern nicht unbedingt das gelobte Land“ ist, sowas sagt man im Freistaat nicht, ohne Irritationen auszulösen.

Die Medien schätzen den eloquenten Kirchenmann. Marx ist ein exzellenter Rhetoriker mit einer von Floskeln weitgehend freien Sprache. Komplizierte Sachverhalte kann er so darstellen, dass sie jeder versteht.

Für ein kurzes Statement zur „Heuschrecken“-Debatte ist er immer zu haben. Die Erhöhung von Vorstandsgehältern in Zeiten von Entlassungen oder Werksschließungen nannte er „dreist und maßlos“. Den Irak-Krieg hält er für „völkerrechtswidrig und nicht gerechtfertigt“. Ob mit der Narrenkappe beim Fastnachtsumzug, beim Entspannen in der Hängematte oder beim Kick auf dem grünen Rasen: Der Borussia-Dortmund-Fan hat keine Probleme mit den Fotografen. Selbst bei seinem Umzug nach München hatte er nichts dagegen, ein welkes Blümchen siebenmal in den Karton zu heben, bis das Motiv stand.

Nichts dem Zufall überlassen

Sollte seine Volksnähe bloß inszeniert sein, wäre der Kirchenmann schon ein guter Schauspieler vor dem Herrn. Aller Spontanität zum Trotz: Auch ein Reinhard Marx überlässt nichts gerne dem Zufall. Auf sein neues Erzbistum hat sich der Oberhirte vor Ort und in zahlreichen Gesprächen gut vorbereitet.

Im Gegenzug haben sich die Münchner schon mal an der Mosel über das Reformpaket erkundigt, mit dem Marx vor anderthalb Jahren die Bistumsverwaltung umkrempelte: Im Trierer Generalvikariat wurden die Abteilungen halbiert. Rund zehn Prozent der Planstellen sollen abgebaut werden – sozialverträglich, versteht sich.

Die Bayern-Hymne gelernt

Zuletzt holte sich Reinhard Marx am Montag noch in Rom den Segen seines Vor-Vorgängers, Papst Benedikt XVI. Und: Er hat die Bayern-Hymne gelernt und die erste Strophe im kleinen Trierer Kreis schon einmal stolz und lautstark intoniert.

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