Ein Leben im Speisewagen

Hier erzählen bekannte Münchner von ihrem Wochenende. Heute ist das die Kinderbuchautorin Friederun Reichenstetter.
von  Florian Zick

Man hat ja gar nicht immer so wahnsinnig viel Zeit. Unsere Familie zum Beispiel ist riesengroß: Ich habe vier Geschwister, die haben alle Kinder und wir selbst haben auch eine Tochter–da hat unentwegt jemand Geburtstag oder heiratet. Manche Freunde sagen schon: Ihr seid ja immer unterwegs. Aber das stimmt nicht.

Wofür ich und mein Mann Karlheinz (70) immer Zeit haben, sind die hervorragenden Kammerkonzerte in der Volkshochschule Pasing. Das hat sich noch nicht so herumgesprochen, aber da gibt es einen richtig schönen Saal, mit Stuck und allem drum und dran. Da schauen wir oft, dass wir einen Platz kriegen.

Was ich auch sehr gerne mache, ist, in die verschiedenen Museen zu gehen: Pinakothek der Moderne, Lenbachhaus, Museum Brandhorst. Ich gucke mir aber nur so zwei, drei Bilder an, jeweils eine Viertelstunde, dann setze ich mich noch ein bisschen ins Café. Da mag ich das Gaeta im Museum Brandhorst besonders gerne. Da gibt es diese langen Tische und man kann raus auf die Straße schauen. Ich bin ja fürchterlich neugierig, ich will einfach wissen, was um mich herum passiert. Man kann keine gescheiten Geschichten schreiben, wenn man nicht schaut, was die Leute so treiben.

Inspiration finde ich aber auch im Zug. Ich fahre leidenschaftlich gerne mit der Bahn. Ich könnte mein Leben im Zug verbringen. Wenn ich in einem Speisewagen sitze und die Landschaft an mir vorbeiziehen sehe, das ist ein unendlicher Genuss. Ich fahre ja oft nach Berlin, da lebt mein Bruder, oder nach Nürnberg, da wohnt eine Schwester. Ich lese dann, höre Musik oder korrigiere Texte. Ich kann mich nirgends so gut konzentrieren wie im Zug.

Dann treffe ich am Wochenende noch sehr gerne Freunde. Wir kochen manchmal zusammen oder gehen was essen. Da gibt es in Pasing den Schweizer Hof in der Planegger Straße, das ist ein uraltes Wirtshaus. Ein sehr schönes Gasthaus ist auch der Luisengarten in der Exter-Siedlung. Und die Goldene Gans finde ich auch sehr schön, da gibt es gehobene Küche.

Ich wandere auch gern. Früher haben ich und mein Mann richtig große Touren gemacht, auch ins Hochgebirge, aber das traue ich mich nicht mehr. Was wir im Urlaub aber immer noch gerne machen, sind Langwanderungen, mehrere Tage hintereinander. Wir haben das schon in England gemacht, in Lappland, in Norwegen. Jetzt gibt es sogar Organisationen, die transportieren den Koffer von Ort zu Ort, während man mit leichtem Rucksack läuft. Der Koffer wartet dann schon im nächsten Bed-&-Breakfast auf einen. Diesen Herbst wollen wir acht Tage durchs Elsass wandern.

Wir gehen zudem gern ins Theater und haben deshalb auch ein Sonntags-Abonnement im Residenztheater, aber wahrscheinlich wechseln wir demnächst zu den Kammerspielen. Im Resi gibt es zwar schon auch immer wieder Schönes zu sehen, aber mir gefällt dort nicht mehr alles. Vielleicht gehöre ich einfach noch zu dieser alten Dieter-Dorn-Fangemeinde. Von dem haben wir vor vielen Jahren den Sommernachtstraum gesehen. Das war ein sinnliches Erlebnis. Und jetzt haben wir dieses Stück kürzlich noch einmal gesehen – und zwar im Residenztheater. Die ganze Zeit sind splitternackte Gestalten über die Bühne gehuscht–frierend, weil es doch recht kühl war. Sinnlich war da gar nichts. Am liebsten wäre man aufgestanden und hätte den Darstellern Mäntel umgehängt.

Und manchmal ist auch einfach nur Lesen angesagt. Meine beiden letzten Bücher kann ich sehr empfehlen: „Die Ausgewanderten” von W. G. Sebald und „Mit Blick aufs Meer” von Elizabeth Strout.

Protokoll: Florian Zick

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