Ein Leben im Sattel: Wolfgang Slama hört bei der BR-Radltour auf

Er hat seit 1991 jeden Ministerpräsidenten aufs Rad gesetzt, Tausende bayerische Radfreunde motiviert: Nun hört Wolfgang Slama bei der BR-Radltour auf.
von  Lutz Bäucker
Da geht's lang: Slama fuhr 32 Jahre lang an der Spitze. Hier 2017 beim Start in Gunzenhausen.
Da geht's lang: Slama fuhr 32 Jahre lang an der Spitze. Hier 2017 beim Start in Gunzenhausen. © Lutz Bäucker

München - Wolfgang Slama kennt sie alle: unzählige Bürgermeister, Tourismuschefinnen und Hauptamtsleiter, Feuerwehrmänner und -frauen, THWler und Polizisten. Sein ganzes Berufsleben lang hat er zusammen mit ihnen und dem BR-Team die längst legendäre "BR-Radltour" auf Bayerns Landstraßen zum Rollen gebracht. Die Übernachtungskapazitäten unzähliger bayerischer Schulturn-, Tennis- und Sporthallen kann Slama im Schlaf aufsagen.

Wo lassen sich 1000 Radltrikots am günstigsten produzieren, auch das hat er drauf. Er hat es geschafft, seit 1991 jeden bayerischen Ministerpräsidenten aufs Fahrrad zu setzen und das Radfahren hierzulande populär zu machen. 2014 überzeugte der hartnäckige Tour-Organisator die Verantwortlichen davon, den Mittleren Ring in München für rund zehntausend Radfahrer teilweise autofrei zu machen!

Radfahren ist sein Leben – egal, wie groß oder klein das Fahrrad ist. Hier 2009 beim Gaudirennen in Landau a. d. Isar.
Radfahren ist sein Leben – egal, wie groß oder klein das Fahrrad ist. Hier 2009 beim Gaudirennen in Landau a. d. Isar. © Lutz Bäucker

Zur BR-Radltour ist Wolfgang Slama gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Tour-Erfinder und BR-Moderator Thomas "Toto" Gaitanides suchte anno 1989 einen Fahrrad-Fachmann mit Abenteuerlust, der die geniale Idee einer "Tour de Bavaria" in belastbare Realität umsetzen konnte. Toto wurde fündig beim damals kaum bekannten Radl-Lobbyverein ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) in München, wo der junge Slama tätig war.

Der tüftelte die Premierenstrecke von Donauwörth nach Dingolfing aus, mit Etappen in Ansbach, Kitzingen, Haßfurt, Forchheim, Neumarkt, Kelheim und Deggendorf. Mit Hingabe zeichnete er Zieleinlaufpläne und Standplatzaufstellungen, notierte die Durchfahrtszeiten von Zügen, kalkulierte Marschtabellen fürs Peloton.

BR-Radltour: Aus einer belächelten Veranstaltung machte Wolfgang Slama ein Mega-Event

Als Tour-Direktor übernahm Gaitanides die Verantwortung, sorgte für die Außenwirkung und die einzigartig familiäre Atmosphäre dieser Veranstaltung, Slama war für die Organisation zuständig. Zwei auch ihrem Wesen nach grundverschiedene Männer - doch gemeinsam machten sie aus der anfangs belächelten Sommerveranstaltung im Laufe der Jahre das Mega-Event des BR. 2012 ging "Tour-Vater" Gaitanides in den Ruhestand.

Matthias Keller-May übernahm vorübergehend, dessen Nachfolger Markus Riese ist bis heute als Tour-Direktor verantwortlich für das größte europäische Spektakel für Hobby-Radfahrer. Slama blieb immer im Sattel. Insgesamt 33 Jahre lang, ein ganzes Berufsleben.

Mit Tourdirektor Thomas Gaitanides (l.) bildete Slama das Erfolgsteam der Radltour – hier 2008 in Riedenburg.
Mit Tourdirektor Thomas Gaitanides (l.) bildete Slama das Erfolgsteam der Radltour – hier 2008 in Riedenburg. © Lutz Bäucker

In seiner ganz eigenen Art und Weise baute der leidenschaftliche Radfahrer das Tour-Netzwerk aus, suchte und fand geeignete Etappenorte und radlfreundliche Routen, überzeugte die bereits erwähnten Tourismuschefinnen und Bürgermeister von den Vorteilen eines Radltour-Gastspiels, schilderte Sponsoren, Gastwirten und Gemeinderäten, wie sie alle davon profitieren könnten. Slama setzte sich auch auf sein superleichtes Rennradl, um jeden Zentimeter der geplanten Strecke persönlich in Augenschein zu nehmen. "Pedalieren ist wie Meditation", hatte er erkannt, er brauchte diese Erfahrung wieder und wieder. Vielleicht brachte ihm das auch das für manchmal langwierige Verhandlungen nötige Stehvermögen und die Geduld, die Tour jahrzehntelang jeden Sommer aufs Neue über Bayerns Straßen zu den Menschen zu bringen.

Slama rollte während der Tour immer vorneweg. "Vor mir fährt niemand", so sein Motto als "pacemaker" und Streckenscout, "nur die Polizei und deren Lautsprecherwagen!" Eine eiserne Regel, die keiner jemals zu durchbrechen wagte. Alle Fäden in der Hand zu halten, das war Slama immer enorm wichtig, auch bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 22 km/h. Seit dem ersten Tour-Start 1990 in Donauwörth legte er rund 16.000 km auf dem Fahrrad zurück und machte in mehr als 500 bayerischen Orten Station.

Aller Anfang ist schwer: 1990 war Slama noch mit schwerem Gepäck unterwegs – hier bei Wassertrüdingen.
Aller Anfang ist schwer: 1990 war Slama noch mit schwerem Gepäck unterwegs – hier bei Wassertrüdingen. © BR

Nur ein hartnäckiger grippaler Infekt bringt Wolfgang Slama aus dem Sattel

In 33 Jahren fuhr Slama aus familiären Gründen nur auf drei Etappen nicht an der Spitze des BR-Pelotons. Und ausgerechnet bei seinem letzten Tour-Einsatz 2023 musste er mit einem hartnäckigen grippalen Infekt aus dem Sattel und ins Begleitfahrzeug steigen. Die Verwunderung bei den Teilnehmern war groß – sie kannten ihren "Leit-Wolf" nur als ausdauernden "Kilometerfresser", den auch kurze Nächte oder nicht enden wollende Anstiege nicht stoppen konnten.

Seine größte Herausforderung - radfahrtechnisch gesehen – war nach eigener Aussage das Tandemfahren mit Schwester Theodolinde, Chefin des Stamm-Sponsors "Adelholzener": "Sie im langen Ornat hinten drauf, ich vorne – gottseidank haben wir unsere kurze Showrunde unfallfrei hinter uns gebracht!" Slama ist noch heute hörbar erleichtert.

Auch der Fahrversuch mit einer originalgetreu nachgebauten hölzernen Draisine auf dem Marktplatz von Memmingen forderte den ganzen Zweiradartisten Slama. Am meisten aber wurde über Slamas ganz spezielles Beinkleid geratscht und getratscht: seine goldene Rad-Hose. Ein Teil, das er in all seinen Tourjahren immer nur auf einer Etappe der jeweiligen Strecke trug. "Der Mann mit der goldenen Hose" wurde zum Kult. Und Slama genoss das sichtlich.

Seine radltechnisch größte Herausforderung: Tandemfahren mit Schwester Theodolinde.
Seine radltechnisch größte Herausforderung: Tandemfahren mit Schwester Theodolinde. © Lutz Bäucker

Nach der Tour durch Bayern? Mit dem Rad über die Alpen

Bezeichnend für ihn ist seine Antwort auf die Frage des Tour-Reporters, was er am Ziel nach 500 Kilometern quer durch Bayern machen werde: "Ich setz' mich aufs Fahrrad und strample über die Alpen nach Italien." 25 Mal hat der gebürtige Mittelfranke das bisher schon getan – mehrmals zusammen mit Hunderten begeisterter Radfahrer aus Bayern, inklusive Tränen des Glücks oben auf der Brenner-Passhöhe.

An diesem Samstag wird der Wahlmünchner Slama offiziell verabschiedet, danach wird er bald wieder Richtung Süden treten - zu den Stränden der Adria, den Anstiegen des "Giro d'Italia" oder den Abfahrten der "Tour de France". Das Leben im Sattel - es rollt weiter, immer weiter.

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