Ein kleines Stück vom Himmel

Wer erinnert sich nicht an ein besonderes Weihnachten aus seiner Kindheit? Wie war früher Weihnachten? Pfarrer Rainer Maria Schießler blickt zurück.
von  Rainer Maria Schießler
Pfarrer Rainer Maria Schießler
Pfarrer Rainer Maria Schießler © Gregor Feindt

Wer erinnert sich nicht an ein besonderes Weihnachten aus seiner Kindheit? Wie war früher Weihnachten? Pfarrer Rainer Maria Schießler blickt zurück.

MÜNCHEN - Es war keine Frage des Luxus und dennoch jedes Jahr eine grandiose Inszenierung voller Liebe und Hingabe. Zwei Jungs, mein Bruder Wolfgang und ich, sollten den Zauber der Weihnacht unbeschwert erleben dürfen. Den ganzen Advent bereiteten wir uns auf den großen Tag vor. Die selbst gebackenen Plätzchen waren absolut tabu – bis zum Heiligen Abend. Geschenke wurden nicht verhandelt, sondern waren immer eine echte Überraschung!

Ebenso gesperrt war das Wohnzimmer in der kleinen Mietwohnung im Münchner Stadtteil Laim, als dort eine circa 120 Zentimeter große Fichte auf einem kleinen Tischen stand. Hier wurde liebevoll ein kleines Stück Himmelreich errichtet. Die Anspannung, insbesondere am Heiligen Abend war riesengroß. Nachmittags gingen wir mit allen Kindern der Siedlung in die Kirche.

Dann folgte ein einfaches Abendessen, Bratwürste mit Kraut, im Radio sangen sie schon Weihnachtslieder. Alles wurde sorgfältig aufgeräumt, auch die Küche, immerhin es kommt ein großer Gast: das Christkind! Vom Weihnachtsmann redete Gott sei Dank niemand. Unser Vater war der einzige, der das Wohnzimmer betreten durfte.

Er trug eine große Verantwortung, besonders an diesem Abend. Als das Glöckchen erklang, das heiß ersehnte Zeichen zum Eintreten, betraten wir behutsam den Raum. Das Licht der Kerzen am Baum blendete uns, so dass wir noch gar nicht unsere wenigen Geschenke entdeckten. Alles war voller Zauber, ein Stück Himmel auf Erden. Ganz klassisch las der Vater die Weihnachtsgeschichte vor, und wir Jungs spielten dem Christkind vor, was wir in mühevoller Arbeit das Jahr über auf unseren Musikinstrumenten erlernt hatten.

Ob Flöte, Fidel, später Geige und Cello, alles war recht, um dem Rahmen eine feierliche Stimmung zu verleihen. Endlich gab’s die Geschenke, alle sehr persönlich, einfach, praktisch, liebevoll verpackt. Wir durften verstehen: Weil Gott sich uns Menschen schenkt, können wir uns ebenso herzlich beschenken.

Von Warenaustausch keine Spur! All das Neue galt es zu verkosten: Die Plätzchen wurden serviert zusammen mit Kinderpunsch und die Geschenke ausprobiert. Alles war sehr, sehr einfach und doch so voll gepackt mit Liebe und Herzlichkeit. Bis heute wirken sie noch nach!

 

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