Ein Herz für die kleine Medina aus Großhadern

München - Unter ihrem pinkfarbenen Hemdchen schaut ein dunkelrotes Kunststoffteil hervor. Vom einen Ende führt ein meterlanger Schlauch zu einem Tisch mit einem Laptop und Messgeräten. Der andere, unter dem Pulli verborgene Teil, steckt in Medinas kleinem Körper. Ohne dieses externe Kunstherz („Berlin Heart“) würde das 20 Monate alte Mädchen nicht mehr leben. Seit sieben Monaten wartet die kleine Patientin im Klinikum Großhadern. „Sie braucht dringend ein Spenderherz“, sagt Professor Nikolaus Haas (51), der neue Chef der Kinderkardiologie und Pädiatrischen Intensivmedizin.
Medina ist das jüngste von neun Kindern, die sich mit ihren Familien im Ronald McDonald-Haus auf dem Campus Großhadern zu einer Adventsfeier treffen. Alle sind oder waren schwer herzkrank. Es gibt selbst gebackenen Kuchen und Kekse, dazu Kinderpunsch. Viele Familien kennen sich, begrüßen sich wie alte Bekannte. Sie haben in Monaten des Hoffens und Bangens ähnliches durchgemacht.
Die durchschnittliche Wartezeit beträgt 14 bis 15 Monate
Bei Medina hatte alles mit einer Infektion begonnen. Das Mädchen aus Passau, dessen Eltern aus dem Kosovo stammen, hatte Fieber. Eine Erkältung, dachte die Mutter zuerst. Doch Medina erholte sich nicht davon, war nur noch schlapp. Nach vielen Arztbesuchen wurde eine krankhafte Erweiterung des Herzmuskels diagnostiziert. Nun warten die Eltern mit Medina auf die lebensrettende Operation. Die anderen Kinder, die zur Adventsfeier gekommen sind, haben es bereits überstanden. Sie leben mit einem Spenderherz.
In Deutschland gibt es nur sechs große Kliniken, in denen Kinderherzen transplantiert werden. In Großhadern wurden in den vergangenen drei Jahren 14 Kinder transplantiert. Alle leben. „Es gibt relativ wenige Spender“, sagt Professor Christian Hagl, Chef der Herzchirurgischen Klinik am Klinikum der Uni München. „Das Thema ist leider immer noch negativ behaftet.
Dabei sind Transplantationen oft die einzige Chance.“ Die Kinder warten durchschnittlich 14 bis 15 Monate. „Die längste Wartezeit waren 18 Monate“, sagt Christian Hagl.
In dieser quälend langen Zeit finden Angehörige, die von weiter weg kommen, im Ronald McDonald-Haus eine Bleibe – so wie Medina und ihre Familie. Vater Berat (32) und Mutter Mehreme (30) wohnen mit Medinas Schwestern Melisa (4) und Mirela (3) in dem durch Spenden finanzierten Haus. Insgesamt 14 Familien können hier unterkommen.
Auch Anita Peterbauer (36) aus Eggenfelden hat hier 13 Monate lang geschlafen und gegessen, während sie mit ihrer Tochter Sophia (heute fünf) auf die lebensrettende Operation wartete. Derweil hielt Papa Georg Peterbauer (46) mit den Eltern zuhause den landwirtschaftlichen Betrieb am Laufen und kümmerte sich um Sophias große Schwester Barbara.
Zur Adventsfeier kommen sie alle gemeinsam. „Wir hatten kaum noch Hoffnung“, sagt Anita Peterbauer rückblickend. Heute wirbelt Sophia mit den anderen Kindern herum. Es ist ihr nicht anzusehen, welch schwere Zeit sie hinter sich hat. „Es ist wie ein Wunder für uns“, sagt die Mutter leise. „Nun werden wir alle zusammen zuhause Weihnachten feiern. Wir brauchen nichts mehr. Das ist das schönste Geschenk.“
Langsam wird es Zeit für Medina. Die Kleine muss zurück auf die Station. Dass sie heute dabei sein durfte, ist eine Ausnahme. Eigentlich müssen die Patienten, in der Klinik bleiben – auch, um sich nicht anzustecken. Medinas Eltern hoffen, dass ihre Tochter bei der nächsten Adventsfeier wieder dabei sein kann – dann mit einem Spenderherz, ohne Geräte und Schläuche.
Zwischen den kleinen Patienten sind auch zwei junge Männer auf der Adventsfeier. Michael Kapser aus Freising und Dejan Batkovic aus München sind beide 17 Jahre alt und beide leben nun schon seit mehr als zwei Jahren mit einem Spenderherz.
„Heute geht es mir sehr gut. Ich kann alles machen,“ sagt Dejan und Michael nickt dazu. Beide sind voller Pläne. Michael will Kaufmann werden. Dejan will nach dem Realschulabschluss noch Abitur machen. Und danach will er Lehrer werden. Oder Ingenieur. Oder Kardiologe.