Ein halbes Jahrtausend Medizin: Die Geschichte der Medizin an der LMU

Von Ingolstadt über Landshut und schließlich nach München: Die Geschichte der Medizin an der LMU ist geprägt von Wissenschaft und Forschung – seit nunmehr 550 Jahren.
von  Carmen Merckenschlager
Auf Visite: Der Psychiater Emil Kraepelin gilt als einer der Begründer der wissenschaftlichen Psychiatrie. Er war der erste Klinikdirektor der königlich-psychiatrischen Klinik, welche 1904 in München eröffnet wurde. Das Bild ist um 1907 entstanden.
Auf Visite: Der Psychiater Emil Kraepelin gilt als einer der Begründer der wissenschaftlichen Psychiatrie. Er war der erste Klinikdirektor der königlich-psychiatrischen Klinik, welche 1904 in München eröffnet wurde. Das Bild ist um 1907 entstanden. © LMU Klinikum/Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

München - Vor 200 Jahren entstand nahe dem Sendlinger Tor das erste Universitätsklinikum Bayerns. Die Geschichte der LMU im Bereich Medizin reicht aber viel weiter zurück. Dieses Jahr feiert die LMU-Medizin ihr 550. Jubiläum – und ist damit über ein halbes Jahrtausend alt.

Die Geschichte beginnt in Ingolstadt: Herzog Ludwig IX. der Reiche von Bayern-Landshut gründete dort die erste Universität Altbayerns. Dafür musste er sich extra die Erlaubnis des Papstes einholen. Am 26. Juni 1472 feierten vier Fakultäten gemeinsam die Einweihung der "Hohen Schule", wie es damals hieß.

Ab 1804 war die Universität in Landshut angesiedelt 

Eine davon war die medizinische Fakultät. In den folgenden Jahrhunderten entwickelte sich die Lehre von einer rein theoretischen weiter Richtung Praxis. 1723 begann der Bau für ein erstes eigenes Gebäude der Mediziner – samt eines "anatomischen Theaters" für den Lehrbetrieb.

Zwischenstopp in Landshut: Durch einen kurfürstlichen Erlass vom 17. Mai 1800 wurde angeordnet, dass die Universität von nun an in Landshut ihren Sitz haben soll. Vier Jahre dauerte der Umzug. Zu Ehren des Universitätsgründers Herzog Ludwig IX. und Maximilian IV., damals Herzog von Bayern, erhielt die Universität ihren Namen: Ludovico-Maximilianea beziehungsweise Ludwig-Maximilians-Universität.

Nachdem sich das Studienangebot sowohl fachlich als auch personell über die Jahre immer weiter entwickelte, blühte auch die medizinische Infrastruktur der Stadt Landshut auf.

Damaliges Krankenhaus am Sendlinger Tor war größtes Spital Bayerns

Der Umzug nach München: 1826 bezieht die Hochschule schließlich ihren Platz in der heutigen Landeshauptstadt. Im November zog sie in ihre neue Heimat im ehemaligen Jesuitenkolleg an der jetzigen Neuhauser Straße. Grund dafür: König Ludwig I. wollte alle wichtigen Kulturinstitute möglichst in seiner Nähe haben.

Ab sofort wurde nun das 1813 eröffnete Städtische Krankenhaus nahe dem Sendlinger Tor als Lehrkrankenhaus der Universität genutzt. Mit seinen 600 Betten war es Bayerns größtes Spital.

Als 1855 Haidhausen in das Stadtgebiet eingegliedert wurde, erhielt es einen neuen Namen: Städtisches Krankenhaus links der Isar.

Ab 1843 gibt es erste Fachkliniken

Aus dem allgemeinen Krankenhaus entstehen Fachkliniken: 1843 – dem Geburtsjahr von Robert Koch – bestand der König auf der Eröffnung einer Poliklinik; also einem medizinischen Zentrum, welches fachübergreifend arbeitet. Daraus entstanden in den folgenden Jahren die erste Kinderklinik (1846) in der Sonnenstraße, eröffnet durch August von Hauner. 1856 folgt die Königliche Frauenklinik.

Das Allgemeine Krankenhaus um 1830 gemalt von Carl August Lebschée.
Das Allgemeine Krankenhaus um 1830 gemalt von Carl August Lebschée. © Chirurgische Unversitätsklinik/Privatbesitz Prof. Locher

Knapp 20 Jahre später gründete der Internist Hugo von Ziemssen das erste deutsche klinische Institut am Städtischen Krankenhaus links der Isar. Im Zuge dessen wiederum eröffnete der Mediziner und Apotheker Max von Pettenkofer 1879 das Hygiene-Institut. Es folgten die Chirurgische Klinik an der Nußbaumstraße, 1904 die Psychiatrische Klinik und 1929 die dermatologische Abteilung.

Nationalsozialismus prägte auch die LMU

Ein dunkles Kapitel: Die von Wissensdurst und Forscherdrang geprägte Geschichte der LMU ist ebenfalls geprägt durch den Nationalsozialismus und durchzogen von menschenverachtenden Praktiken. Die rassenideologische Ausrichtung der Forschung, Zwangssterilisation und weitere Verbrechen sind ebenfalls Teil der Geschichte der LMU.

Die bekanntesten Kämpfer gegen die Verbrechen der Nationalsozialisten sind die Medizinstudenten Hans Scholl, Christoph Probst und Alexander Schmorell. Für ihren Widerstand wurden sie 1943 hingerichtet.

Der Wiederaufbau: Nach Kriegsende wurden viele der Dozenten im Zuge der Entnazifizierung entlassen. München war für viele Wissenschaftler nach dem Krieg vorerst uninteressant. 1954 wurde das Städtische Krankenhaus links der Isar an die LMU angegliedert. 1969 fand dort die erste Herztransplantation Deutschlands durch die Münchner Chirurgen Rudolf Zenker, Werner Rudolph und Werner Klinner statt.

Mit der Zeit wurde die Klinik immer weiter ausgebaut

Kapazitäten werden erweitert: Eine Neustrukturierung führte zu der Idee, alle Kliniken unter einem Dach zusammenzuführen. Innerhalb von zehn Jahren wurde das Klinikum Großhadern gebaut, 1974 wurde dort der erste Patient aufgenommen. 1983 führte Herzchirurg Bruno Reichart die erste Herz-Lungen-Transplantation Deutschlands durch.

Der Neubau in der Innenstadt: 1999 wurden die "Innenstadtkliniken" und das Klinikum Großhadern" zum Klinikum der Universität München (LMU) zusammengelegt. Mit der Zeit zeigte sich: Es bedarf mehr Platz. Im Jahr 2021 wurde schließlich das neue LMU Klinikum Innenstadt eröffnet. In den zwölf Fachbereichen können bis zu 70.000 Patienten ambulant und 15.000 stationär versorgt werden.

Der bedeutende Hygieniker

Max von Pettenkofer.
Max von Pettenkofer. © picture-alliance / dpa

Max von Pettenkofer (1818-1901) war Mediziner, Chemiker und Apotheker und ist eine der prägendsten Persönlichkeiten in der Geschichte der LMU. Sein Name steht bis heute für die Begründung des modernen Hygienverständnisses. Er begriff Hygiene als Wissenschaft und initiierte den weltweit ersten Lehrstuhl für Hygiene im Jahr 1865.

Pettenkofer war auch Seuchenforscher. Mitte des 19. Jahrhunderts war die Cholera in München weit verbreitet. Der Wissenschaftler wusste, dass zur Eindämmung dieser Seuche München sauberer werden musste. Er setzte sich für den Bau von Kanalisationsanlagen und einer zentralen Trinkwasserversorgung ein. 1858 begann die Stadt mit dem Bau der Kanalisation. Wenige Jahre später wurde bereits ein Rückgang von Typhus und Cholera nachgewiesen.

Kampf gegen Wundbrand

Johann Nepomuk Ritter von Nussbaum
Johann Nepomuk Ritter von Nussbaum © imago images/H. Tschanz-Hofmann

Johann Nepomuk von Nußbaum (1829-1890) war ein brillanter Chirurg, dem der Umgang mit den Patienten am Herzen lag. Er bereitete den Weg in die moderne Chirurgie, indem er sich neben der Versorgung von äußeren Verletzungen auch den inneren Leiden zuwandte und operativ gegen Erkrankungen im Bauch- und Brustraum vorging.

Zu Lebzeiten Nußbaums war nach Operationen die Wundinfektion noch weit verbreitet. Er entwickelte dazu einen Leitfaden zur antiseptischen Wundbehandlung. Durch den Einsatz von Carbol auf Wundverbänden und die Desinfektion der Operationsumgebung, konnte die Zahl der Wundinfektionen drastisch gesenkt werden. Außerdem trennte er chirurgische von den anderen Patienten und sorgte damit für die Errichtung eines eigenen chirurgischen Spitals.

Revolution in der Chirurgie

Ferdinand Sauerbruch.
Ferdinand Sauerbruch. © imago/ZUMA/Keystone

Ferdinand Sauerbruch (1875-1951) revolutionierte vor allem die Operationen am offenen Brustkorb. Bis dato war es Medizinern kaum möglich, am offenen Brustkorb zu operieren, da sonst die Lunge des Patienten kollabierte. Sauerbruch entwickelte eine Art Kammer, welche um den Patienten herum einen Unterdruck erzeugte und so die Lunge vor dem Kollaps bewahrte. Dadurch wurden Operationen im Thorax möglich, wie beispielsweise an der Lunge oder der Speiseröhre.

Sauerbruch beschäftigte sich außerdem mit der Prothesentechnik und entwickelte diese bedeutend weiter. Durch die Analyse der Handbewegung und eine operative Gestaltung der Armstümpfe machte Sauerbruch eine physische Bewegung der Prothese durch den Patienten möglich.


Festakt zum 550-Jährigen

Am Donnerstag feierten die Medizinische Fakultät und das Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität das Jubiläum mit einem Festakt in der Allerheiligen-Hofkirche der Residenz München. Prof. Dr. Markus M. Lerch, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des LMU-Klinikums beim Festakt: "Die Medizinische Fakultät und das LMU-Klinikum gehören zu den größten und besten in Deutschland und Europa. Wir dienen der Gesundheit unserer Patientinnen und Patienten, der Erforschung ihrer Krankheiten und der Ausbildung unserer Studierenden auf höchstem internationalen Niveau."

Mit dabei war auch Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) in seiner Funktion als Schirmherr. "Wir sind stolz auf unsere Universitätskliniken. Sie bieten höchstes Niveau bei Forschung, Lehre und Krankenversorgung. Mit der Hightech Agenda Bayern fördern wir Innovationen in den künftigen Schlüsseltechnologien. Wir sorgen für beste medizinische Versorgung überall im Land. Mein Dank und Anerkennung: Ihre Arbeit macht unser Leben länger und besser", so Söder.

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