"Ein Desaster": Kultur-Institution aus München verzweifelt an der Deutschen Bahn

Über 200 Musiker der Münchner Philharmoniker wollen mit dem Zug von Köln nach Berlin, um dort ein Konzert zu spielen. Doch die Bahn funkt dazwischen. Die chaotische Tour, was ein Reisender meint und was die Bahn dazu sagt.
von  Guido Verstegen
Ihr Ziel, möglichst klimafreundlich unterwegs zu sein, hat die Deutsche Bahn den Münchner Philharmonikern einmal mehr deutlich verhagelt.
Ihr Ziel, möglichst klimafreundlich unterwegs zu sein, hat die Deutsche Bahn den Münchner Philharmonikern einmal mehr deutlich verhagelt. © privat

München - Eine Bahn-Reise von Köln nach Berlin sollte doch kein Problem sein. Denkste! Völlig durch und fertig mit den Nerven sind über 200 Musiker der Münchner Philharmoniker viereinhalb Stunden später als geplant und nach einer zehnstündigen Reise in der Hauptstadt angekommen.

Münchner Philharmoniker: "Hier geht's überhaupt nicht um Bahn-Bashing" 

Christian Beuke war dabei und wurde Zeuge des Fiaskos. "Wir wollen wirklich klimafreundlich unterwegs sein, und deshalb sollte unsere Tournee mit der 2. Sinfonie von Gustav Mahlers  mit dem Zug nach Luzern, Köln und Berlin führen. Hier geht's überhaupt nicht um Bahn-Bashing, es ist halt besonders bitter, wenn man so im Stich gelassen wird – das Ganze war ein Desaster", sagte der Management-Direktor der Münchner Philharmoniker im Gespräch mit der AZ.

Während die großen Instrumente der über 200-köpfigen Truppe – inklusive Fernorchester und Chor – per Lastwagen unterwegs waren und pünktlich in Berlin ankamen,  nahm das Desaster für Beuke und seine Kollegen an jenem Dienstag (12. September) gegen 9.30 Uhr am Kölner Hauptbahnhof seinen Lauf. 

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In den Sozialen Medien schilderten die Musiker ihre schlimme Odyssee, die dazu führte, dass das mit Spannung erwartete  Konzert in der Berliner Philharmonie mit 25-minütiger Verspätung begann und eine geplante Übertragung im Radio ins Wasser fiel. Beuke: "Es war trotz allem ein grandioses Konzert, aber vielleicht wäre unter anderen Umständen noch mehr drin gewesen."

Management-Direktor Beuke: "Das hat die Gruppe großartig gemacht" 

Wer selbst schon einmal viel zu lange mit der Bahn unterwegs war, weiß, wie nervenaufreibend das sein kann. Besonders dann, wenn man nicht weiß, wann es überhaupt weitergeht. Wie muss das erst sein, wenn man mit über 200 Leuten auf die Verbindung mit dem Zug setzt? "In jedem Fall eine besondere Herausforderung", gibt Beuke zu, "Aber das hat die Gruppe großartig gemacht, natürlich liegen da bei dem ein oder anderen da auch mal die Nerven blank."

Münchner Philharmoniker: Rein in den ICE, raus aus dem ICE

Verständlich. Wie Beuke erzählt, ging es schon damit los, dass die komplette Mannschaft erst einmal eine knappe Stunde in ihrem ICE saß und dann auf einen anderen ICE verwiesen wurde, den sie aber wegen kompletter Überfüllung wieder verlassen musste: "Da musste dann sogar die Bundespolizei für Ordnung sorgen. Und stellen Sie sich mal unsere Situation vor, nachdem einige aus der Gruppe bereits eingestiegen waren – das musst du erst mal in den Griff kriegen."

Münchner Philharmoniker in Richtung Bahn: "Wann wacht Ihr endlich auf?"

Das war dann fast schon ein Klacks gegen den sieben-minütigen Zwischenspurt, den sie einlegen mussten, als sie zuvor von Luzern kommend in Basel-Hauptbahnhof umstiegen, um von einem anderen Basler Bahnhof in Richtung Köln zu starten. Beuke: "Verrückt, das hat alles geklappt!"

Das Konzert in Berlin konnte erst 25 Minuten später beginnen, eine geplante Radioübertragung aus der Berliner Philharmonie musste ausfallen.
Das Konzert in Berlin konnte erst 25 Minuten später beginnen, eine geplante Radioübertragung aus der Berliner Philharmonie musste ausfallen. © privat

Auch die Tatsache, dass die Schweizer Bahn für die Reise nach Luzern Streckensperrungen wegen Gleisarbeiten gemeldet hatte, führte nicht zu Komplikationen. Das habe man rechtzeitig erfahren, umdisponiert und sei auf den Bus umgestiegen, so Beuke.

Ganz anders bei der Deutschen Bahn. "Wir möchten unser Klima unbedingt schützen! Zu gern haben wir dabei auf Euch gesetzt, Euch vertraut. Wir haben Euch trotz wiederholter negativer Erfahrungen verteidigt und in Schutz genommen, immer wieder. Doch Ihr fallt uns in den Rücken, Ihr lasst uns im Stich. Wir können uns nicht auf Euch verlassen. Wir können nicht mehr. Wann wacht Ihr endlich auf?", machen die Philharmoniker auf Facebook ihrem Ärger Luft und ernten in den Kommentaren große Zustimmung.

DB-Sprecher: "Wegen Blitzeinschlägen fielen Stellwerke aus und Oberleitungen wurden beschädigt"

Auf AZ-Anfrage sagte ein Bahn-Sprecher zu den Vorfällen: "Tatsache ist, dass an diesem Tag der Bahnverkehr in Nordrhein-Westfalen durch eine Unwetterfront gehörig durcheinander gewirbelt wurde."

Abenteuer Regionalbahn mit einer richtig großen Gruppe.
Abenteuer Regionalbahn mit einer richtig großen Gruppe. © privat

Wegen Blitzeinschlägen seien Stellwerke ausgefallen und Oberleitungen beschädigt worden, sodass zahlreiche Züge ausgefallen seien oder großräumig umgeleitet hätten werden müssen. Das habe zu entsprechenden Verspätungen geführt: "Wir möchten uns nochmals bei allen Fahrgästen und insbesondere den Münchner Philharmonikern für die damit verbundenen Unannehmlichkeiten ausdrücklich entschuldigen."

"Wollt Ihr Euch da vielleicht noch einmal intern abstimmen?"

Von einem Unwetter habe man erst hinter Hamm etwas mitbekommen, sagte Christian Beuke. Zudem habe die Bahn unterwegs ICE-Verzögerungen via App mit Zugreparaturen und Verspätungen der vorhergehenden Fahrt begründet.

"Liebe Deutsche Bahn Personenverkehr, vielen Dank dafür – dann steht wohl Aussage gegen Aussage. Als Grund habt ihr uns bisher Reparaturen am Zug angegeben – wollt Ihr Euch da vielleicht noch einmal intern abstimmen?", heißt es im entsprechenden Facebook-Kommentar der Münchner Musiker dazu.

Münchner Philharmoniker und die Deutsche Bahn: Das Ende einer Liebe?

Geht es nach Christian Beuke, braucht die Deutsche Bahn schon eine deutlich bessere Fehler- und Erfüllungsquote sowie eine schnelle, unmissverständliche Kommunikation, um die Münchner Philharmoniker davon zu überzeugen, weiterhin auf die Schiene zu setzen.

Das Ganze sei eine interne, demokratische Entscheidung, und natürlich setze sich nicht jeder angesichts der aktuellen Situation liebend gerne in den Zug. "Aber wenn es schon innerhalb Deutschlands nicht klappt, wie sollen wir dann ruhigen Gewissens längere Reisen innerhalb Europas planen? Wir werden sehen, wie wir da weiter verfahren!"

Für pünktlichere Züge: Bund stellt 40 Milliarden Euro in Aussicht

Erst am vergangenen Freitag (15. September) legten der Bund und die Deutsche Bahn (DB) auf dem Schienengipfel des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) in Frankfurt am Main das seit der Bahnreform 1994 größte und umfassendste Infrastrukturprogramm für das Schienennetz und die Bahnhöfe vor.

Ziel sei es, den Zugverkehr nachhaltig pünktlicher zu machen und die Voraussetzungen zu schaffen, um die verkehrspolitischen Ziele im Personen- und Güterverkehr zu erreichen. Richard Lutz, Vorstandsvorsitzender DB AG, erklärte: "Wir erneuern und modernisieren die Infrastruktur mit einem Programm, das beispiellos in der DB-Geschichte ist."

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