Ein Bündnis gegen den Wohnwahnsinn

18 Gruppen, Initiativen und Mietergemeinschaften proben den Schulterschluss: Ihr neues Bündnis bietet Hilfe für Betroffene an – und plant eine Großdemo. 
Tina Angerer |
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Eine neue Initiative kämpft für bezahlbares Wohnen in München.
Petra Schramek Eine neue Initiative kämpft für bezahlbares Wohnen in München.

18 Gruppen, Initiativen und Mietergemeinschaften proben den Schulterschluss: Ihr neues Bündnis bietet Hilfe für Betroffene an – und plant eine Großdemo: „Es muss etwas getan werden“

MÜNCHEN - Angefangen haben sie vor ihrer eigenen Tür: Sie kämpften um bezahlbare Mieten in ihrem Wohnhaus, gegen die Entmietung im Nachbarhaus und gegen die Luxussanierung ihres Viertels. Jetzt tun sich die Widerständler zusammen: Von der Lerchenau bis zum Perlacher Forst, von Laim bis Neuperlach, aus ganz München wollen künftig 18 Gruppen und Initiativen gemeinsam gegen Gentrifizierung kämpfen.

Offiziell geht das neue „Bündnis für bezahlbares Wohnen“ am 12. März an den Start. „Hier geht es um die ganze Stadt, deswegen tun wir uns zusammen. Je mehr wir sind, umso eher verschaffen wir uns Gehör“, sagt Andrea von Grolman.

Sie hat vor rund zwei Jahren die „Initiative Bezahlbares Wohnen“ an der Schwanthalerhöhe ins Leben gerufen. Um 20 Prozent ist damals ihre Miete erhöht worden. Die Eigentümer kündigten gleichzeitig an, künftig den rechtlichen Rahmen – alle drei Jahre 20 Prozent mehr – auszuschöpfen. „Da konnten wir uns ausrechnen, wann wir ausziehen müssen“, sagt von Grolman. Seit 1979 lebt sie mit ihrer Familie in der 120 Quadratmeter-Wohnung. Durch ihre Initiative konnte die Erhöhung zumindest für die alten Mieter gedeckelt werden – rund 10 Prozent werden es nach jetzigem Stand alle drei Jahre sein – bei Neuvermietungen gilt das freilich nicht. Zum Vergleich: Jetzt zahlt sie 970 Euro – die neu vermietete Wohnung kostet derzeit 1960 Euro, mehr als das Doppelte. Die Probleme der Mieter, die sich zusammengefunden haben, sind ähnlich: Oft wurde das Gebäude von Investoren gekauft. Durch Mieterhöhungen müssen viele ausziehen. So wie bei Jürgen Engel von der Mietergemeinschaft Thorwaldsenstraße: Er ist einer der letzten, die noch in dem Haus wohnen, drei Mal schon wurde die Miete erhöht. Und ebenso oft wechselten die Eigentümer. Denn wer in München ein Objekt nach zwei bis drei Jahren verkauft, hat schon allein dadurch eine fette Rendite.

Noch mehr Geld bringt die Umwandlung in Eigentumswohnungen der Luxusklasse – alte Mieter sind da nicht zu gebrauchen. „Das dramatische ist, dass die Menschen ihre Wohnungen und ihre Viertel verlassen müssen“, sagt von Grolman. „In München kann man ja nicht mehr umziehen - wer einmal raus muss, kann sich nichts Neues mehr leisten“, sagt ihr Mitstreiter, der Student Max Heisler von der Aktionsgruppe Untergiesing.

Immobiliengeschäfte, rein renditeorientiert, die zerstören seiner Ansicht nach das Stadtleben. „Weil der Aktienmarkt nichts mehr hergibt, wird jetzt in Betongold investiert.“

Mit im Boot ist auch Norbert Ott von der Mietergemeinschaft Türkenstraße, auch bei ihm würde der Investor gerne luxussanieren. „Die Investoren vernichten de facto Wohnraum“, sagt er. „Weil sie aus kleineren Einheiten große Luxuswohnungen machen – und weil sie vor allem Zweitwohnungen verkaufen.“ München als Urlaubsabsteige für Superreiche.

Andrea von Grolmann, die für eine englische Firma als Assistentin der Geschäftsleitung arbeitet, sieht an London, wo das hinführen kann: Menschenleere Luxus– und Businessviertel. „Meine Kollegen wohnen alle außerhalb Londons.“

Was also tun? Das neue Bündnis will allen Bürgern, die in eine ähnliche Situation geraten, rechtliche und praktische Hilfe anbieten.

Das neue Bündnis will lautstark an die Öffentlichkeit gehen – es ist auch schon eine Großdemo in Planung. „Die Mehrheit aller Münchner sind Mieter. Und die müssen sich bemerkbar machen“, sagt Friedhelm Puhlmann von der Interessensgemeinschaft Wohnanlagen am Perlacher Forst und Tegernseer Landstraße.

Ganz konkret hat das Bündnis auch politische Forderungen. „Der Entwicklung liegt ein Systemfehler zu Grunde. Wir müssen den Politikern klarmachen, dass etwas getan werden muss“, sagt von Grolman – und zwar auf allen Ebenen: Bund, Land und Stadt.

 

Lesen Sie in der Printausgabe Ihrer AZ vom Freitag die Forderungen an Stadt, Freistaat und Berlin

 

 

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