Ein Brief aus dem Himmel: Münchnerin ermöglicht Nachrichten an Hinterbliebene

München - Nein, es hat noch keiner geschrieben von da oben - aber wäre es nicht schön, wenn? Nach dem Tod noch liebevolle Nachrichten an die Hinterbliebenen hinterlassen zu können, ist ein Wunsch, den mancher hegen mag. Susanne Wiedemann macht ihn möglich.
Die Schwabingerin hat 2020 mitten in der Pandemie ihr Start-up "Send Love From Heaven" gegründet. Ihre Kunden sind Menschen an der Schwelle zum Tod, die nahestehenden Menschen Botschaften zukommen lassen möchten, nachdem sie bereits gestorben sind. Die Übermittlung übernimmt Wiedemann.
Münchnerin leitet Briefe von Verstorbenen weiter
Zwei Wege sind möglich: Bereits angefertigte Briefe werden bei ihr hinterlegt und dann weitergeleitet, oder man wählt bei ihr eine Vorlage aus, verfasst sein Schreiben und gibt eventuell ein Versanddatum an, wenn der Brief etwa zum Geburtstag des Kindes eintreffen soll.

Was wollen die Kunden loswerden, das sie nicht sagen können? Darüber kann Wiedemann nichts erzählen. "Das ist etwas ganz, ganz Persönliches, Vertrauliches, das persönlichste Thema, was es gibt." Kamila Skolik, Psychologin und Psychoonkologin aus Herford in Nordrhein-Westfalen, sagt: "Eigene Gefühle, Wünsche und Gedanken lassen sich in solch einer extremen Situation manchmal schwer in Worte fassen beziehungsweise sind wortwörtlich schwer auszusprechen."
Susanne Wiedemann aus Schwabing: "Die meisten haben was auf dem Herzen"
Auch eine große räumliche Entfernung könne eine Rolle spielen - dann sei ein persönliches Treffen vielleicht gar nicht mehr möglich. "Auch kann es natürlich sein, dass ein Sterbender gar nicht mehr die physische oder psychische Kraft hat für eine verbale Auseinandersetzung und ein Gespräch mit einem Angehörigen."
Worum es den Kunden geht, erfährt Wiedemann also in der Regel nicht. So viel aber ist klar: "Die meisten haben was auf dem Herzen", sagt sie. "Sie wollen den Überlebenden was Gutes tun." Es könne etwa sein, dass ein anderweitig verheirateter Mann an die Liebe seines Lebens schreibt oder jemand an sein uneheliches Kind.
Idee für Start-Up kam durch unheilbar kranke Freundin
Auf die Idee für ihr Start-up kam sie durch ihre Freundin. Diese war unheilbar krank. "Sie wollte Nachrichten hinterlassen oder Videobotschaften." Lange und oft sprachen die Frauen darüber, was möglich und sinnvoll für die Empfänger sei. "Bei unserem letzten Treffen sagte sie, wie gerne sie das machen wollte. Sie war sich sicher, diejenigen würden sich darüber freuen."
Das Problem war nur, dass niemand von den Angehörigen mit der Aufgabe der Nachrichtenübermittlung belastet werden sollte - und so entstand Wiedemanns Geschäftsidee: "Es ist eine Aufgabe für die Zukunft, die ich zu ihrem Andenken übernehmen kann." Eine Aufgabe, für die die studierte Betriebswirtin schon bei ganz anderen Meilensteinen im Leben anderer Fingerspitzengefühl bewiesen hat: Sie ist auch IHK-zertifizierte Hochzeitsplanerin, kennt sich also aus mit "würdevollen und extravaganten Events".
"Einer der wichtigsten Faktoren ist die Akzeptanz des Todes als einen Teil vom Leben"
So organisiert sie für ihr Start-up nicht nur den Botschaftsdienst, sondern auch Trauer- und Gedenkfeiern oder Lebensfeste, geplant auch nach den Vorgaben verstorbener Kunden oder noch zu deren Lebzeiten. "Personal Memorial Management" nennt Wiedemann das.
Sie kümmert sich um die Gestaltung dessen, was für viele ein Tabuthema ist - der Tod. "Viele verdrängen ihn. Diese Aufgabe übernehme ich."
Wie wichtig ist dabei Empathie? "Einer der wichtigsten Faktoren ist die Akzeptanz des Todes als einen Teil vom Leben." Bestimmend dürfe das Mitleid aber nicht sein, sagt Wiedemann, auch wenn es eine emotionale Angelegenheit ist: "Da müsste man ein Eisbrocken sein", um nicht mitzufühlen.
Psychologin: Keine Vorwürfe oder offene Fragen im letzten Brief
"Solch eine Kontaktaufnahme könnte sowohl den Sterbenden als auch die Angehörigen entlasten", sagt Psychologin Skolik zum Nutzen des posthumen Briefs. "Ein weiterer Aspekt könnte sein, dass man die geschriebenen Worte festhält und somit sich der Angehörige dies bei Bedarf oder Sehnsucht immer wieder durchlesen kann."
Von Vorwürfen oder offenen Fragen im letzten Brief rät die Psychologin aber ab. Dies könne zu einer zusätzlichen Belastung führen. Eine Gefahr könnte auch darin bestehen, mit den Worten alleingelassen zu werden, wenn niemand da ist, um den Briefempfänger aufzufangen. Wiedemann selbst jedenfalls hat eine Entscheidung für sich getroffen: "Ich bin Mutter und für mich ist ganz klar: Ich hinterlasse Nachrichten für meine Tochter, motivierende Sachen, was ich mir wünsche, auch so ein paar Hilfestellungen."