Ein Beteiligter erzählt: "Ich saß im Horror-Bus"
PFAFFENHOFEN AN DER GLONN - Andreas Riedlberger hat schon viele Unfälle gesehen. Aber immer von der anderen Seite. Er gehörte nie zu den Opfern.
Seit Mittwoch weiß der 38-Jährige aus Pfaffenhofen an der Glonn (Kreis Dachau), wie es ist. Der Maschinenbautechniker ist auch Jugendreferent der Gemeinde. Mit Kollegen der örtlichen Feuerwehr und dem Kreisjugendring hat er den Ausflug organisiert, der für 33 Menschen aus Odelzhausen, Sulzemoos, Pfaffenhofen, Bergkirchen und Erdweg im Krankenhaus endete. Er saß im Horror-Bus – gemeinsam mit seiner Tochter (6).
Mittwoch, 14.30 Uhr: Der Tag ist perfekt gelaufen. Am Flughafen gab’s ein Extra-Programm – Riedlberger kennt da jemanden. Nach dem Besucherhügel dürfen die 24 Kinder und neun Betreuer zu Lufthansa Technik, dann gibt’s eine Rundfahrt und eine Vorführung der Flughafen-Feuerwehr.
Als die ersten dunklen Wolken über die A92 aufziehen, ist die Gruppe längst auf der Heimfahrt. Riedlberger sitzt mit seiner Tochter Marie in der Mitte des Busses auf der Fahrerseite. Er am Gang, Marie am Fenster. Sie sind nicht angeschnallt, wie keiner im Bus. „Ich weiß das sicher, weil ich mich und meine Tochter anschnallen wollte. Aber da war kein Gurt.“
Kurz vor 15 Uhr, am Autobahnkreuz Neufahrn, kracht’s am Himmel. „Erst war schönstes Wetter, dann plötzlich Platzregen.“ Die Fensterscheibe neben Marie wird nass, „und ich habe die Hagelkörner am Bus gehört“. Es regnet erst seit etwa einer Minute, „aber die Fahrbahn war total nass“.
Auf einmal ein Schwung. Marie und Andreas Riedlberger schauen direkt auf die Autobahn – der Bus hat sich um etwa 60 Grad gedreht, rast halb quer gestellt über die Fahrbahn. Riedlberger denkt: „Hoffentlich fängt er sich.“
Tut er nicht. Der Bus schlingert. Vorne kämpft der Fahrer am Lenkrad, hinten herrscht Panik. „Die Kinder haben geschrien“, sagt Riedlberger. Er legt beide Arme um Marie. „Dann bin ich mit ihr schon durch den Bus geflogen.“
Der hat sich soeben in die Leitplanke neben der Standspur verkeilt. „Ungebremst“, sagt Riedlberger. Zu schnell seien sie nicht gewesen, meint er. „Wir fuhren sicher langsamer als 100, der Fahrer hatte vorher verlangsamt, wegen dem Regen.“
Den Bus hebelt es aus: Er kippt mit der rechten Seite auf den Asphalt. Im Bus ist rechts jetzt unten. „Alle, die links saßen, sind rübergefallen“, sagt Riedlberger. Kinder und Betreuer prallen auf andere, er selbst knallt mit dem Rücken hart auf irgendwas.
Andreas Riedlberger ist seit 22 Jahren bei der Feuerwehr, „seit ich 16 bin, wie’s auf dem Land halt so ist.“ Er weiß jetzt, was zu tun ist. Mit seinen Kommandanten Klaus S. und Christian T. tritt er die Windschutzscheibe ein., dann führen sie die Fahrer, Betreuer und Kinder hinaus. „Andere haben wir über die Dachluke rausgebracht. Die Kinder haben teilweise stark geblutet.“
Draußen riecht Riedlberger Diesel. Der Bus sieht heil aus: „Die Scheiben waren alle drin, nur auf der rechten Seite waren sie kaputt.“ Im Setra ist nur noch Bub. Er kann als Einziger nicht raus – sein Arm ist unter dem Bus eingeklemmt. Ersten Berichten zufolge war er aus dem Bus geschleudert worden. „Aber das ist Schmarrn, das stimmt nicht“.
Die drei Feuerwehrmänner bringen die Kinder und Betreuer zwischen die Leitplanke und einen Wildfangzaun. Autofahrer kommen mit Verbandszeug, zufällig sind auch Sanitäter des Flughafens zur Stelle. Bis die Feuerwehr kommt, „hat es aber sehr lange gedauert, vielleicht eine halbe Stunde.“ Hinterm Bus ist Stau, die Helfer kommen nicht durch.
Ein Bus der Feuerwehr bringt Riedlberger und Marie ins Schwabinger Klinikum. Er wird am linken Ellenbogen genäht. „Ist nicht so schlimm. Mein Rücken tut viel mehr weh. Er ist ganz blau.“ Marie selbst hat keinen Kratzer.
Gegen 20.30 sind sie wieder in ihrem Haus in Pfaffenhofen an der Glonn – und nehmen als erstes ein heißes Bad. „Wir waren so verschwitzt“, sagt Riedlberger. Bei dem Satz muss er kurz lachen. Danach essen sie eine Pizza und gehen ins Bett. Andreas Riedlberger kann gut schlafen. Marie auch. Keine Alpträume. „Ich hoffe, das bleibt so.“
Woran es gelegen lag, kann Andreas Riedlberger nicht sagen: „Heutzutage will man immer sofort den Schuldigen wissen. Früher hat man gesagt: bled glaffa. Vielleicht ist es auch hier so.“
Und jetzt? „Bewusster“ will er leben, sagt der zweifache Familienvater. „Man hat oft so wenig Zeit.“
Es soll aber auch normal weitergehen. Heute geht Riedlberger zur Arbeit – trotz allem. „Ich hock’ ja im Büro. Das geht schon.“
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