„Eigentlich sind wir doch alle Cowboys“

"Wenn die drei Typen in „Münchner Geschichten“ auf dem Pferd durchs Siegestor reiten. Da geht einem das Herz auf. Eigentlich sind wir doch alle Cowboys – geben wir's zu." Theater-Star Brigitte Hobmeier spricht im AZ-Interview über kreative Idole, Heimatgefühle und den Trachtenwahn.
Sie ist der Star der Kammerspiele, vielfach ausgezeichnet – und trotzdem am Münchner Boden geblieben: Brigitte Hobmeier. Die 31-Jährige lebt mit ihrem Mann und dem zweijährigen Sohn in Schwabing.
AZ: Frau Hobmeier, was ist ihre erste Erinnerung an München?
BRIGITTE HOBMEIER: Der Englische Garten – da sind wir sonntags mit der Familie immer von Ismaning aus hingeradelt. Und natürlich das Oktoberfest. Da haben wir als Kinder schon Wochen vorher das Taschengeld gespart.
Was war da am schönsten?
Das Pferdereiten. Wenn ich mir das heute anschau’, denk’ ich mir: Wie kann einem das nur Spaß machen, auf den gequälten Tieren im Kreis zu reiten? Und als dann der Dreierlooping kam – das war für uns die Neuheit überhaupt. Da wurde gerechnet: Ich könnte sechs Mal Achterbahn fahren oder zwei Mal Dreierlooping.
Sie haben in Neuss, Hannover, Berlin, Wien und Düsseldorf gespielt und sind 2002 wieder nach München gezogen. Was war das für ein Gefühl?
Nach sieben Jahren unterwegs sein, war es wie eine innere Not. Ich wollte ausschnaufen, daheim. Ich brauchte wieder Heimaterde unter den Füßen – und bin da geblieben.
Welche Vorurteile sind Ihnen in der „Ferne" begegnet?
Das war nie schlimm. Vielleicht mal ein Augenverdrehen, wenn ich gesagt hab', ich komm' aus München. Ich spreche dann Bayerisch, um denjenigen a bisserl zu ärgern.
Wäre Ihre Karriere woanders auch anders verlaufen?
Schwer zu sagen. Ich war als Anfängerin bei Peter Steins Faust-Projekt und hatte dann die Chance, ans Düsseldorfer Schauspielhaus zu gehen – und das Angebot von Christian Stückl nach München ans Volkstheater zu kommen, das vom Prestige her erst mal nicht so angesehen war wie Düsseldorf. Die meisten haben gesagt: Du musst nach Düsseldorf. Jeder hat mich für blöd gehalten, dass ich einen Anti-Karriereschritt mache.
Warum haben Sie's getan?
Ich wollte zurück und ich wollte den Neustart mit Stückl machen – und nicht in ein lang bestehendes Ensemble gehen. So ein wilder Kerl wie der Christian – da spinnst' einfach mit. An dieser Energie wollte ich teilhaben. Dass wir so ein gutes Team werden würden, dass ich so schöne Rollen bei ihm spielen würde, das war nicht abzusehen. Ich hab meinem Bauch vertraut.
Sie sind ein Fan des Münchner Publikums. Warum?
Weil es sich begeistern lassen will. Da lob' ich mir unsere barocke, katholische Münchner Art, dieses Lustvolle, die Freude am Theater.
Welche Theater- oder Filmszene charakterisiert die Stadt am besten?
Wenn die drei Typen in „Münchner Geschichten“ auf dem Pferd durchs Siegestor reiten. Da geht einem das Herz auf. Eigentlich sind wir doch alle Cowboys – geben wir's zu. Außerdem liebe ich „Zur Sache Schätzchen". Wenn mich München nervt, schau' ich mir diesen Film an und dann mag ich's wieder.
Ihr München-Soundtrack?
Vielleicht die Spider Murphy Gang. Als ich angefangen hab’ Musik zu hören, bin ich zu deren Musik auf dem Sofa rumgehüpft und hab mich als großes Mädchen gefühlt.
Haben Sie Münchner Idole?
Fassbinder und Valentin: beide starrsinnig, absolut kreativ und wegweisend in ihrer Suche nach einer neuen Form.
Welche Münchnerin wären Sie gerne gewesen?
Lena Christ war eine großartige Schriftstellerin, aber ihr Leben war so furchtbar, dass ich sehr ungern mit ihr tauschen wollen würde. Ich bin gerne ich selbst.
Ihr Urteil über die Münchner Männer?
Ich hab’ meinen Münchner Mann kennengelernt und sofort geheiratet. Deshalb schau' ich jetzt nicht mehr so genau hin. Ich mag die bayerischen Naturen, und weiß über die Münchner Schickeria zu wenig Bescheid. Aber wir können uns über unsere Männer nicht beschweren, oder?
Was gefällt Ihnen hier nicht?
340 Tage im Jahr interessiert sich kein Mensch für Trachten, aber zur Wiesn schmeißt sich jeder Zweite, der nicht richtig „Servus“ sagen kann, ins H&M-Dirndl und in die Lederhosn und stackselt aufs Oktoberfest.
Haben Sie einen Lieblingsplatz in der Stadt?
Mein Platz in der Stadt ist auf meinem Radl. Und ich liebe den alten Friedhof in Schwabing: wunderschöne alte Grabsteine, Standbilder und ein großer Spielplatz hintendran.
Sie sind Mutter eines Sohnes, wie kinderfreundlich finden Sie München?
Da wird’s ernst, ja. Mein Sohn ist in einer städtischen Kinderkrippe, wird wunderbar betreut und der Personalschlüssel ist super. Und trotzdem ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Manchmal schleicht sich das Gefühl ein, dass es in der Diskussion um die Kinderbetreuung nur noch um kostenrelevante Faktoren geht. Wenn unsere Kinder nur noch als Zahlenspiele auf der Soll-Seite auftauchen, wenn der Personalschlüssel indirekt runtergeschraubt werden soll, weil’s mit weniger doch auch irgendwie geht, wird’s uns Münchner Eltern angst und bang. Qualität hat seinen Preis, und unsere Kinder brauchen eine sozialkompetente Betreuung, keinen Einheitsbrei. Sie sind keine Zahlen oder ein marodes Wirtschaftsunternehmen.
Was wünschen Sie München für die Zukunft?
Dass München eine Stadt mit Herz bleibt.
Interview: Natalie Kettinger