Eifersuchtsdrama nach TV-Show und Lügen-Test
Vor über einer Million Zuschauern beichtet sie ihm einen Seitensprung. Das verzeiht er ihr nicht
München - Das Publikum im TV-Studio lacht, feixt, johlt, zeigt mit dem Finger auf Stefan P. (26). Der hat gerade in der Sat1-Nachmittagstalkshow „Britt“ erfahren, dass ihn seine 23-jährige Ehefrau Sarah, die vor der Sendung mit einem Lügendetektor verkabelt war, mit einem anderen Mann betrogen hat.
Die Show endet für Lagerarbeiter Stefan P. jetzt vor dem Münchner Landgericht. Er ist wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Rasend vor Eifersucht soll er seine inzwischen geschiedene Gattin wegen der TV-Beichte vor drei Jahren immer wieder verprügelt haben. Höhepunkt der Auseinandersetzung ist der 3. August 2011. Vor den Augen der gemeinsamen Tochter (damals 2) sticht er sie mit einem Küchenmesser nieder.
„Ich wollte sie nicht töten. Ich wollte mir vor ihr das Leben nehmen, wenn sie mir keine zweite Chance gibt“, sagt der Angeklagte. „Sie hat mich nicht einmal angeschaut. Da war ich so erbost.“ Als Sarah blutüberströmt zusammenbricht, alarmiert Stefan P. zum Glück den Notarzt. Die Polizei kann ihn noch am Tatort festnehmen. Ein Polizist: „Die Tochter hat gesagt: ,Papa Mama Aua!’“
Stefan P. lernt Sarah im Frühjahr 2007 kennen. „Über unsere Hunde sind wir ins Gespräch gekommen. Sie war meine erste Liebe. Davor hatte ich nur Freundschaften“, sagt der Angeklagte. 2009 kommt die Tochter zur Welt. Fünf Monate später heiratet das Paar und zieht aufs Land. „Ich wollte weg aus der Stadt. Sie nicht“, so Stefan P.
Die Ehe ist von Gewalt geprägt. Sie hält ihm vor: „Du betrügst mich!“ Dann sei Sarah die Idee mit der Show gekommen. Dort kam raus, dass sie selber fremdging. Bis heute kommen bei Stefan P. die Erinnerungen an die Demütigung aus der Sendung hoch.
„Britt“ ist seit elf Jahren täglich ab 13 Uhr auf Sendung. Die Protagonisten sind echt – und im Studio Sicherheitsleute, die eingreifen, wenn jemand ausflippt. Keine Hilfe bekommen Stefan P. und seine Frau nach der Show. Sat1 ist auf AZ-Anfrage zu keiner Stellungnahme bereit. Heute sagt das Opfer aus.
AZ-Kommentar: Öffentliche Demütigung
Timo Lokoschat,stellvertretender AZ-Lokalchef, über den TV-Wahnsinn am Nachmittag
Klar, auf so eine depperte Idee muss man erstmal kommen: seinen Partner ins Fernsehstudio schleppen, ihn an einen Lügendetektor anschließen und nach Seitensprüngen ausfragen lassen. Dass sich zu dieser Prozedur vor allem Menschen bereit erklären, die von vielen guten Geistern verlassen sind, ist ohnehin klar. Umso schwerer wiegt die Verantwortung des Fernsehsenders.
Die Talkshow „Britt“ führt täglich Menschen im Viertelstundentakt vor, erst dem johlenden Studiopublikum, später Millionen Fernsehzuschauern. Ein Teil der Betroffenen weiß oft gar nicht, warum er in der Sendung ist – um dann ziemlich unschonend beigebracht zu bekommen, dass die Freundin fremdgeht, mehrere Kinder mit dem Nachbarn hat oder beim Sex an jemand anderen denkt. Alles angeblich hochwissenschaftlich ermittelt.
Was danach aus den emotional angeschlagenen Gästen wird, ist den Produzenten offenbar egal. Die Quote stimmt ja. Da muss man schon fast die „Scripted Reality“-Formate loben. Dort ist wenigstens alles erfunden.
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