Edmund Puchner soll aus seinem Paradies weg
Der Bildhauer und Maler soll aus seinem Zuhause im Englischen Garten vertrieben werden
München - In diesen Tagen ist viel davon die Rede, dass Schwabing dabei ist, sein Gesicht zu verlieren. Anstelle der alten Post in der Leopoldstraße wird ein neuer „exklusiver Büroneubau“ errichtet.
In der Feilitzschstraße hat der Kultkneipe Schwabinger 7 die Stunde geschlagen, genauso wie dem Monopol-Kino und Mamas Kebab Haus. Leiser, aber nicht weniger drastisch vollzieht sich der Wandel ein paar hundert Meter weiter Richtung Englischer Garten: Dort steht eine Künstler-Idylle vor dem Aus. Vom Osterwaldgarten her dringt bierseliges Gelächter, Spaziergänger strömen in den Englischen Garten, über den Mittleren Ring brettern die Autos. Nur ein Schritt durch den schmächtigen Holzzaun neben der Gaststätte – und der Schwabinger Trubel ist ausgesperrt.
Geschützt von einer mächtigen Kastanie hat der Bildhauer und Maler Edmund Puchner in 30 Jahren einen alten Bauernhof in einen Künstlergarten verwandelt. Es ist sein Lebensmittelpunkt und Motor seines Schaffens. Doch bis Ende Juni muss der 78-Jährige raus, der Erbe des ehemaligen Vermieters hat das Grundstück bereits verkauft. Hof, Atelier und Garten weichen einem dreistöckigen Wohnhaus mit Tiefgarage. „Es war mein Glück“, sagt Puchner, dem am 8. Juni der Schwabinger Kunstpreises 2011 verliehen wird.
Dieses Glück war Liebe auf den ersten Blick. Bevor er selbst in die Keferstraße 12 a zog, hatte hier ein Landschaftsgärtner seine Firma untergebracht. Ein Freund von Puchner. „Ich habe immer zu ihm gesagt: Wenn du hier mal weggehst, sag mir als erstem Bescheid.“ Bis dahin lebt Puchner, der 1954 für das Studium an der Kunstakademie nach München kam, in anderen Ecken von Schwabing. „Es war schon immer mein Stadtteil.“
Anfang der 80er ist es so weit, er mietet die Gebäude hinter dem Osterwaldgarten, an denen die Zeit bereits ihre Spuren hinterlassen hat. Puchner legt die alten Mauern trocken, isoliert, reißt die Trennwand aus der Stube im Erdgeschoss und baut einen Ofen. Aus dem Speicher wird Wohnraum. Er selbst hat hier bis vor kurzem geschlafen. Schmale, durchgetretene Stufen führen hinauf, es knarzt bei jedem Schritt. Früher nahm Puchner junge Künstler und Schüler als Gäste auf.
Einer, mit dem Puchner noch heute befreundet ist, wollte für ein paar Wochen aus Russland kommen. Und blieb dann sieben Jahre. Jetzt liegt nur noch eine Matratze rum, nebendran stapeln sich Bücher. Ordnung vor dem Aufbruch. Im Garten bricht sich die Sonne ihren Weg durch die Äste der Kastanie. Darunter, am Holztisch, lässt sich wunderbar über das Leben und die Kunst sinnieren.
Künstler und Politiker sind hier in all den Jahren beisammen gesessen, immer wieder auch Oberbürgermeister Christian Ude und seine Frau Edith von Welser-Ude. Ginge es nach dem neuen Eigentümer, wäre der Baum schon vor Ostern gefällt worden. Entwurzelt wie der Mieter. Doch dagegen hat sich Puchner gewehrt. Zumindest ein paar Monate soll der Baum noch stehen, hofft er. Er sammelt gerade Informationen darüber, dass Bäume erst wieder ab Oktober gefällt werden dürfen.
Über den Garten verteilt stehen Skulpturen, über manche wuchern Blätter und Zweige. Wo bald die Bagger arbeiten, streift Nani, Puchners zutrauliche Katze, durchs Gras. Was aus ihr wird, wenn er auszieht, zu seiner Lebensgefährtin in die Wohnung? „Ich weiß es noch nicht. Aber in eine Wohnung tu ich sie nicht. Vielleicht aber zu Bekannten, die einen Garten haben.“
Im Herzstück von Puchners Idylle, im Atelier, steht die meiste Aufräumarbeit noch bevor. Hier hat er die Skulpturen für die Brunnen entworfen, die das Münchner Stadtbild prägen: im Cosimapark, der Fasanenparksiedlung oder der Heßstraße. Skizzen bedecken den Tisch, Werkzeug liegt herum, das Lämpchen auf dem Anrufbeantworter blinkt. Es sieht aus, als würde sich Puchner gleich wieder seiner Arbeit widmen. Aber das trügt eben. Einiges ist bereits entrümpelt. Reste von Stein und Holz, aus denen Puchner seine Kunstwerke gefertigt hat.
Altes, rostiges Werkzeug. Lauter Dinge, die voller Erinnerungen stecken. „Von Dingen freimachen“, nennt es Puchner. „Es waren Sachen dabei, die hatte ich seit Jahren nicht mehr in der Hand“, sagt er. „Und bei jedem einzelnen habe ich mich nochmal erinnert, wann und was ich damit gearbeitet habe. Ich habe mich bewusst getrennt.“
Mit Selbstmitleid oder Resignation habe das nichts zu tun. So schwer es sein muss, er blickt nach vorne. Das hat ganz praktische Gründe: „Ich brauche meinen Frieden, um arbeiten zu können.“ Einfacher wäre das freilich, hätte er bereits ein neues Atelier. Doch die Anfragen bei der Stadt blieben bislang erfolglos.
Viele Ateliers sind für junge Künstler vorgesehen, die am Anfang ihres Schaffens stehen. Mit jemandem wie Puchner, der mit fast 79 einen Neuanfang machen muss, hat dort niemand gerechnet.
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