Ecke Dultstraße/Oberanger: Mosaik erinnert an verfolgte Homosexuelle

München - Thomas Niederbühl und seine Mitstreiter müssen sich noch ein wenig gedulden. Eigentlich ist der Münchner Kommunalpolitiker nach jahrelanger Lobbyarbeit seinem Ziel so nahe wie nie. Aber obwohl Genehmigung, Siegerentwurf und Ort für ein eigenes Denkmal für die verfolgten Lesben und Schwulen während des Nationalsozialismus inzwischen stehen, dauert es noch über ein Jahr, bevor das Mahnmal gebaut werden kann. Am Montag wird nun die Bevölkerung zunächst einmal über das geplante Denkmal informiert und der Entwurf vorgestellt.
"Der Grund für die erneute Verzögerung sind Bauarbeiten genau dort, wo das Denkmal geplant ist", sagt Niederbühl. Der 54-Jährige sitzt seit mittlerweile 19 Jahren für die Rosa Liste im Münchner Stadtrat. Für ihn ist das Denkmal überfällig. "Einen ersten Vorstoß habe ich schon vor über zehn Jahren gemacht, damals wurde er im Stadtrat abgelehnt", erinnert er sich. Eines der offen vorgetragenen Argumente: Man wolle nicht jeder Opfergruppe einzeln gedenken, schließlich gebe es mehrere zentrale Plätze. Über weitere Ressentiments will Niederbühl lieber nicht spekulieren: "Wirklich schwulenfeindlich ist heute offen ja fast niemand mehr."
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Niederbühl kritisiert, dass es in ganz Deutschland nur eine Handvoll Gedenkstätten gebe. "Im KZ Dachau durfte jahrelang kein rosa Winkelstein aufgestellt werden. Der rosa Winkel kennzeichnete damals die schwulen KZ-Häftlinge. Das Symbol stand dann stattdessen vor der Versöhnungskirche. Erst Anfang 2000 wurde er in die Gedenkstätte Dachau mitaufgenommen."
Meist haben sich auch die Hinterbliebenen der Opfer lieber still verhalten. "Bis 1994 stand Sex zwischen Männern laut Gesetz ja noch unter Strafe. Da haben viele Angehörige nicht laut gerufen, dass ihre Verwandten wegen Homosexualität in KZs waren und sich viel schwerer mit dem Gedenken getan als beispielsweise Hinterbliebene von jüdischen Opfern", sagt der Stadtrat.
Umso wichtiger findet es Niederbühl, dass diese Opfergruppen endlich wahrgenommen werden. Nach jahrelanger Überzeugungsarbeit und mit Unterstützung des Geschichtsvereins "Forum Homosexualität" sah dies auch schließlich die Mehrheit im Stadtrat so und votierte für ein entsprechendes Denkmal.
Wo Dultstraße und Oberanger sich treffen
Ort dafür ist die Ecke, an der sich Dultstraße und Oberanger in der Münchner Innenstadt treffen. Die Stelle, wo früher das Schwulenlokal "Schwarzfischer" stand. Dort fand am 20. Oktober 1934 die erste großangelegte Razzia statt, die damals den Startschuss bildete für die Verfolgung der Homosexuellen durch Polizei, Gestapo und Justiz.
Der Siegerentwurf für das Mahnmal stammt von der Künstlerin Ulla von Brandenburg. Ihre Idee: Ein farbiges, rund 70 Quadratmeter großes Bodenmosaik, bei dem unterschiedlich große farbige Steine in Form eines Winkels um die Gebäudeecke angeordnet werden.
"Die Passanten werden beim Darübergehen Teil der Geschichte", erklärt von Brandenburg ihre Idee. "Beim genauen Betrachten des Bodenmosaiks, wird man sehen, dass mehrere Bodenplatten die Form eines Dreiecks haben. Es sind Dreiecke, wie sie die Häftlinge in den Konzentrationslagern tragen mussten."
Eine Diskussion wie bei den sogenannten Stolpersteinen, bei denen Hinterbliebene argumentieren, dass auf den Opfern erneut "herumgetrampelt" werde, hat es bei dem bunten Mahnmal im Boden in München nicht gegeben. Im Gegenteil: Niederbühl findet es schön, dass sich das Denkmal in den Alltag integriert. "Einige der Entwürfe waren zu auffällig und schrill. Außerdem wird ja auch kein Opfer namentlich genannt."