"E-Bike? Steht in der Garage": 76-jähriger tritt auf der BR-Tour in die Pedale

Den Münchner Günther Benda überfällt im Sommer seit genau 30 Jahren seine Leidenschaft. Auch jetzt ist es wieder so: Benda nimmt an der BR-Radltour teil, zum nun mehr 29. Mal.
von  Lutz Bäucker
Der Münchner Günther Benda (76) fährt heuer seine 29. BR-Radltour mit. Seit er mal schlimm gestützt ist, immer mit Helm.
Der Münchner Günther Benda (76) fährt heuer seine 29. BR-Radltour mit. Seit er mal schlimm gestützt ist, immer mit Helm. © Lutz Bäucker

München – Auf der dritten Etappe der diesjährigen Tour ist es glühend heiß und die Anstiege wollen einfach kein Ende nehmen. Benda tritt mitten unter den 1000 Mitfahrern hinter dem Dorf Daiting im Landkreis Donau-Ries eine schier endlose Steigung hoch, der Schweiß rinnt ihm unter dem Helm hervor.

"Ich merke, dass mir am Berg die Dynamik von früher abgeht", sagt der 76-Jährige, der eigentlich gut trainiert ist. Vor der Radltour hat er wie jedes Jahr unzählige Trainingskilometer gemacht und sogar einen Zehn-Kilometer-Lauf absolviert. Auch sein Arzt ist sehr zufrieden mit ihm: "EKG, Blutwerte, alles prima."

 E-Bike bleibt in der Garage: "Das ist Ehrensache für mich"

Günther ist mit einem "stinknormalen" Radl unterwegs, zuhause in Denning steht zwar ein E-Bike in der Garage, das hat er mal gewonnen, aber bei der Radltour kommt das nicht zum Einsatz: "Das ist Ehrensache für mich", sagt er, "solange es ohne geht, setz' ich auf Muskelkraft."
Nicht so einfach bei Tagesetappen von rund 100 Kilometern Länge, beim Nächtigen in Sporthallen oder Schulen, wo er inmitten Hunderter schnarchender Radfahrer wenigstens ein paar Stunden Schlaf finden muss: "Ich steck' mir Ohropax rein, dann geht das schon!"

Das Massenlager, die Warteschlangen beim Duschen oder Frühstücken, die Hitze, das Fahren im Pulk - für Frohnatur Günther offenbar kein Problem, sondern Sommerspaß. "Ja", sagt er, "tagsüber radeln, abends feiern, das ist genau meins!" Man kennt ihn on tour.

"Ja mei, da Güntha is da!", rufen sie, wenn er auftaucht, gleichmäßig pedalierend, jubelnd im Ziel oder auch mal kurz vor Mitternacht in der Tour-Disco auf dem Festplatz. Der sechsfache Großvater - "alles Mädels!" - scheint nicht müde zu werden, seit seiner ersten Teilnahme anno 1994. Damals stieg er in Aschaffenburg aufs Radl, ohne Helm, im schweißtreibenden Baumwollhemd: "Dass uns die bayerische Polizei bei Rot über alle Ampeln brettern ließ, das war schon was", erinnert sich Benda an die Anfänge seines alljährlichen "Sommer-Fiebers". Die Gemeinschaft unter den Radlern aus allen Ecken der Republik, die gegenseitige Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft, die vielen unvergesslichen Erlebnisse - Benda möchte das alles nicht missen. Und steigt deshalb immer wieder in den Sattel, sobald die BR-Radltour startet.

Auch wenn nicht immer alles angenehm war: "2016 ist mir einer hinten reingefahren und ich bin übel gestürzt", erzählt er. Mit Schürfwunden und vielfach bandagiert sitzt Benda zwei Tage später wieder auf dem Rad. "Der Unfallverursacher ist abgehauen und hat sich nie bei mir gemeldet. Traurig." 1995 stellt sich irgendwo sein Lenker quer, Benda fliegt vornüber ins Gras und trägt seitdem immer einen Helm. 1996 wird sein Nachtquartier überflutet, zwei Jahre später stellt sich der vielleicht steilste Anstieg in der Tourgeschichte in den Weg: "Die Wand hoch zum Kloster Banz in Oberfranken, 22 Prozent Steigung, Temperaturen über 30 Grad - der Wahnsinn." Aber Günther Benda steigt nicht ab: "Ich habe nicht geschoben", sagt er stolz.

Zu lange mit der Frau telefoniert: Berda muss auf Polizeigeheiß die Etappe abbrechen

Doch 2012 musste er absteigen, auf Geheiß der Polizei. Weil er am Straßenrand so lange mit Ehefrau Christine telefoniert hat, dass nicht nur seine 999 Mitfahrer vorbeistrampelten, sondern auch die Besenwagen des THW, die Sanitäter und das Schlussfahrzeug der Polizei.
"Du fährst nimmer weiter", hieß es, "ab in den Bus am Schluss!" Benda war erschüttert: "Ich hab das nicht glauben können, aber es war tatsächlich so. Anordnung vom Polizeichef, um die notwendige Geschlossenheit des Pelotons zu gewährleisten."

Seitdem ist der Radler aus München-Denning bekannt als "der, der immer telefoniert". Es hätte schlimmer kommen können, in den 30 Jahren seit seiner ersten Radltour quer durch Bayern.

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