Duschen mit Helene Fischer: Durchziehen und durchhalten beim Konzert
München - Die ersten Fans klappen ihre Campingstühle schon am Freitagnachmittag auf. Da sind es noch mehr als 30 Stunden bis zum geplanten Konzertbeginn. Die jungen Leute glauben, dass es umso besser sei, je früher sie dran sind. Ein Irrtum, wie sich noch zeigen wird.
Wochenlang hat Deutschland bei tropischen Temperaturen geschwitzt, aber ausgerechnet zum Wochenende, an dem Helene Fischer in München unter freiem Himmel alle Superlative toppen will, schifft es wie aus Kübeln. Schon in den Tagen zuvor ist es oft nass geworden. Deutschlands Schlagerkönigin musste eine Probe abbrechen.
Zehntausende flüchten sich triefend vor Nässe in die Messehallen
Und es kommt noch ärger: Eine bedrohliche Unwetterfront nimmt Kurs auf Riem, wo am Samstag auf dem Messegelände das größte Konzert geplant ist, das je in München stattgefunden hat – und das größte, das Helene Fischer in ihrem Leben bisher gegeben hat.

130.000 Zuschauer, 150 Meter breite Bühne: Es ist das einzige Konzert der Künstlerin in Deutschland in diesem Jahr – nach Pandemiezwangspause und nachdem sie Mutter geworden ist. Veranstalter ist der Österreicher Klaus Leutgeb, der kürzlich erst Andreas Gabalier nach Riem gebracht hat und der an Silvester Rammstein auf der Theresienwiese auftreten lassen wollte.
Die Rammstein-Idee war eine Seifenblase, zwischenzeitlich droht nun auch, dass das seit zwei Jahren geplante Mega-Event mit Helene Fischer platzt: "Wir wussten alle nicht, ob wir das hier durchziehen können", wird sie später auf der Bühne sagen. Leutgeb habe mächtig "Stress mit den Behörden gehabt".
Ab Mittag dürfen die Fans auf den Vorplatz, ab 16 Uhr auf das Konzertareal: Das Rennen um die besten Plätze beginnt. Derweil versuchen andere Fans, die sich erst später auf den Weg nach Riem machen, noch einen Regenumhang zu ergattern. Doch: "Ponchos sind in der ganzen Stadt ausverkauft", sagt eine Verkäuferin von Müller im Tal. "Seit Freitag schon."
Also werden große, graue Müllsäcke zerschnitten, Plastiktüten und Überzieher über Turnschuhe gestreift. Einige Konzertbesucher kommen in kniehohen Gummistiefeln und viele in Bergschuhen. "Hilft ja nichts, das schlechte Wetter. Wir wollen Helene sehen!", sagt eine Nürnbergerin.

Aus allen Ecken sind die Fans angereist: aus Flensburg und Berlin, aus Bochum, vom Bodensee und aus Österreich. Sie haben Hotelzimmer gebucht, sich bei Freunden und Verwandten einquartiert und viel Geld ausgegeben.
Acht junge Männer aus Cloppenburg, die sich aus Kindergartentagen kennen, sind gemeinsam aus Niedersachsen nach München geflogen. "Das war billiger als mit dem Zug." Die Freunde waren schon bei anderen Konzerten von Helene Fischer. "Sie singt geil und sieht gut aus", sagt einer von ihnen zur AZ.

Zwei Marine-Soldaten finden, dass Helene Fischer "die besten Sufflieder" singt. "Sie ist immer dabei, wenn wir feiern. Man kann ihre Lieder gut mitsingen." Viele andere Besucher sind zum ersten Mal bei einem Auftritt dabei. "Ich habe sie bisher nur im Fernsehen gesehen", erzählt die Münchnerin Jocelyne: "Ich finde, sie macht eine tolle Show. Mein Sohn hat mir die Karten geschenkt."
Männer, Frauen, Junge, Ältere – in allen Altersklassen hat die Schlagerkönigin ihre Fans. Zwei befreundete Familien aus Karlsruhe haben ihre Kinder genommen. Ella (5) und Luisa (7) gehen noch nicht zur Schule, aber die Texte ihrer Lieblingssongs "Atemlos" und "Herzbeben" können sie auswendig.
100 Euro haben die Eltern pro Ticket ausgegeben, auch für die Kleinen – einen Kinderrabatt gibt es nicht für das XXL-Konzert in Riem.
Bis ihr Star schließlich perfekt gestylt singt und tanzt und mehrmals kurz durch die Luft schwebt, geht es den Fans noch mal richtig nass nei. Um 17 Uhr öffnen sich die Himmelsschleusen, es schüttet so, dass alles durchweicht. Zehntausende rennen schutzsuchend durch knöcheltiefe Riesenpfützen, manche klettern auf Absperrgitter in der vergeblichen Hoffnung, trockene Füße zu behalten. Innerhalb weniger Minuten wird das Gelände geflutet. Die Feuerwehr rückt zum Abpumpen an. Der Notfallplan der Stadt greift: Messehallen werden für die Fans geöffnet.

Abbrechen und heimfahren wollen trotzdem die wenigsten. Gegen 18 Uhr lässt der Starkregen endlich nach, es nieselt nur noch. Die Ordner lassen die Besucher ohne Taschenkontrollen durch. An den Eingängen stapeln sich Hunderte Regenschirme. Sie dürfen nicht mitgenommen werden aufs Konzertgelände, das sich allmählich füllt mit einem Meer aus bunten Kapuzenmäntelchen.
Drei Minuten vor acht geschieht dann plötzlich, woran keiner mehr so recht glaubte: Der Regen hört auf, die Sonne taucht alles in Orangerot. Ein großer Regenbogen erscheint am Himmel und Florian Silbereisen kündigt "den geilsten Abend" an, "den es jemals gab in München".
Ganz so empfinden es dann aber doch nicht alle. Simone (25) aus Gelsenkirchen fasst es später so zusammen: "Es war supergut gemacht – aber zu groß! Der Funke ist nicht übergesprungen." Sie habe oft gar nicht gesehen, wo auf der Bühne Helene Fischer gerade stand. "Schade, wenn man sie sogar auf den teuersten Plätzen nur auf der Leinwand sehen kann."