Dunkle Jahreszeit mit "Stadtspürer" Christopher Weidner: Unterwegs auf den mystischen Spuren der Stadt München

Mal die Templer, mal ein Geist oder der Teufel persönlich: Der Stadtführer Christopher Weidner spürt besonderen Orten in München nach.
von  Carmen Merckenschlager
Direkt am Marienplatz: Einst soll der Drache durch seinen Atem die Pest in die Stadt gebracht haben. Ein mutiger Münchner soll ihn erschlagen haben. Schließlich fand man den Schädel des Drachen – so die Legende.
Direkt am Marienplatz: Einst soll der Drache durch seinen Atem die Pest in die Stadt gebracht haben. Ein mutiger Münchner soll ihn erschlagen haben. Schließlich fand man den Schädel des Drachen – so die Legende. © Daniel Loeper

München - Nebel hängt über der Stadt, die Tage werden kürzer und nach und nach entweicht das Leben aus der Natur: Der November ist eine besondere Zeit. Zwischen goldenem Oktober und Weihnachten scheint alles ein wenig geheimnisvoll, düster, gar mystisch. Mit eben diesen mystischen Geschichten von Orten beschäftigt sich Christopher Weidner. Der Münchner ist Stadtführer und Autor, seit 15 Jahren bietet er mit seinem Unternehmen "Stadtspürer" Führungen an.

Besonders die alten Sagen und Legenden in München haben es ihm angetan. Dazu hat er jetzt ein Buch veröffentlicht. In der AZ verrät er ein paar Orte und deren Geschichten. Das Überraschende: An so mancher Stelle läuft der Münchner häufig vorbei, ohne zu wissen, welche Mythen sich darum ranken.

Aus heidnischen Kraftorten in München wurden häufig Teufelssagen

Für Stadtführer Christopher Weidner ist wichtig, zwischen drei Arten von Orten zu unterscheiden: Mystische, schaurige und geheimnisvolle Orte. "Bei mystischen Orten spielt Religion oft eine Rolle. Viele Orte, die früher heidnische Kraftorte waren, wurden christlich überformt. Daraus sind oft Teufelssagen entstanden", erklärt Weidner.

Ein gutes Beispiel dafür sei das Petersbergl, auf dem St. Peter errichtet wurde. Weidner: "Die Kirche steht auf der höchsten Erhebung der Stadt. An diesem Ort sind viele Geschichten zu finden – auch eine Teufelsgeschichte." Der habe sich nach dem Bau über den Turm des Alten Peters so geärgert, dass er die Kirche zerstören wollte.

Der Teufel persönlich soll gegen den Alten Peter getreten haben.
Der Teufel persönlich soll gegen den Alten Peter getreten haben. © Daniel Loeper

"Von Westen kam er herangeeilt in einer Sturmwolke, fest entschlossen, die Peterskirche zu zerstören. Dabei hat er nicht damit gerechnet, dass der Münchner Türmer die heranrauschende Teufelschar bemerkte und rasch das große Kreuz holte und dem Teufel entgegenhielt", erzählt Weidner.

Ein riesiger Kampf entbrannte, der Türmer konnte den aber für sich entscheiden. "Der Teufel war deshalb so wütend, dass er noch ein letztes Mal gegen die Turmspitze trat. Seit dieser Zeit ist der Turm schief."

Eine schaurige Geschichte wiederum hat Weidner zum Jungfernturm im Kreuzviertel zu erzählen. "Einer der letzten Reste der zweiten Stadtmauerbefestigung ist dort zu finden. Nördlich des Promenadeplatzes liegen die Reste davon. Gefühlt werden hier um 20 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt, abends fühlt es sich dort einsam an. An dieser Stelle soll es bis zum heutigen Tag spuken", sagt Weidner.

Ende des 18. Jahrhunderts, nachdem die Verfolgung der Freimaurer und Illuminaten begonnen hatte, soll Kurfürst Karl Theodor jene dort interniert haben und ließ sie dort auch hinrichten.

"Stadtspürer" Christopher Weidner verrät: Für seine Verbrechen muss der Henker auf ewig herumgeistern

"Dort sollen die Seelen der zu Unrecht verurteilten noch zu hören und zu sehen sein. Einer soll dort sogar umgehen. Der ehemalige Henker soll in Vollmond-, manche sagen Neumondnächten, zu sehen sein. Der muss dort noch immer für seine Verbrechen geistern", erzählt Weidner. Geheimnisvoll wiederum ging es am Neuhauser Tor zu. "An einer Stelle ist noch die Türe eines Wachhäuschens zu sehen, wenn man stadtauswärts blickt, auf der rechten Seite. Eine blinde Tür, aber es ist angedeutet: Da war mal was", beschreibt Weidner.

Christopher Weidner ist Autor und Stadtführer beim "Stadtspürer".
Christopher Weidner ist Autor und Stadtführer beim "Stadtspürer".

Der Legende nach befand sich darin eine Kammer, in der man für einen kleinen Obolus ein seltsames Artefakt zu sehen bekam. "Einen dreigesichtigen Götzen. Mehr wissen wir dazu nicht. Da gibt es etliche Spekulationen. Aber das war eine Attraktion. Es gibt welche, die sagen, dass es sich um ein Relikt der Templer handeln würde", sagt der Stadtführer.

Egal welche Art von Ort, wichtig sei es laut Weidner, immer wieder in sich hinein zu spüren. So ließe sich auch an belebten Orten mystisches entdecken. "Klassisch ist da der Marienplatz: Den Blick einfach mal über die Fassaden wandern lassen. Viele kennen wahrscheinlich den Pestdrachen am Wurmeck. Der Drache soll damals die Pest in die Stadt gebracht haben. Ein mutiger Münchner soll ihn erschlagen haben, schließlich fand man den Schädel des Drachen", so Weidner.

Noch heute ein Brauch – sogar unter Politikern

Auch dem Fischbrunnen würden magische Kräfte zugesprochen. "Noch heute waschen am Aschermittwoch der Bürgermeister und der Stadtkämmerer ihre Geldbeutel aus."

Oder auch das riesige Mosaik am Marienplatz 17 hat laut Weidner etwas Mystisches an sich. Der Heilige Onuphrius ist darauf abgebildet. Der fast nackte Mann erinnert so manchen vielleicht an Triton den Meeresgott. Dabei ist er der Schutzpatron der Pilger. Jeder, der dem Heiligen Onuphrius in die Augen blickt, soll für einen Tag vor jeglichem Unglück gefeit sein. Laut "Stadtspürer" waren die sterblichen Überreste des Heiligen in der St. Lorenz Kapelle im Alten Hof aufbewahrt worden. Nach dem Abriss waren diese aber verschwunden.

"Der alte Hof ist ebenfalls ein ganz besonderer Ort, an dem es einiges zu spüren gibt. So zentral und doch so weit weg vom Trubel. Am Marienplatz ist die Hölle los und man betritt diesen Ort und plötzlich ist es eine ganz ruhige, geordnete, klare Atmosphäre. An diesem Ort kann man in der Stille auftanken", findet Weidner.

Das Büchlein sollten Spaziergänger am besten in der Tasche bei sich tragen, um so immer neue Orte erkunden zu können. Erschienen ist es im Volk Verlag.
Das Büchlein sollten Spaziergänger am besten in der Tasche bei sich tragen, um so immer neue Orte erkunden zu können. Erschienen ist es im Volk Verlag.

Natürlich sind Friedhöfe ebenso Orte der Stille mit mystischem Charakter. "Besonders der Alte Nördliche Friedhof ist ein Kraftplatz. Der Alte Südfriedhof ist ein steinernes Geschichtsbuch. Dort ist Mystik auf eine andere Art anwesend. Dort geht es darum - besonders um diese Jahreszeit - dass alles dem Vergehen statt dem Leben gewidmet ist. Überall brennen Kerzen, und wir merken, dass wir nicht nur in die Zukunft hinein leben, sondern auf der Vergangenheit aufbauen. Ein sehr eindrücklicher Ort, der gut ist für die Seele."

Als ebenfalls wohltuend für die Seele beschreibt Weidner den Dianatempel im Hofgarten. "Das ist einer der schönsten Kraftorte für mich in der Stadt. Die Machart, die Symmetrie ist kraftvoll. Die Symbolik muss man sich erklären lassen. Dort ist zum Beispiel altes geheimes Wissen verschlüsselt - Alchemie", sagt Weidner.

Für Stadtführer einer der schönsten mystischen Kraftorte Münchens: der Dianatempel im Hofgarten.
Für Stadtführer einer der schönsten mystischen Kraftorte Münchens: der Dianatempel im Hofgarten. © Daniel Loeper

Zu berichten hat der Stadtspürer noch so einiges mehr. "Viel erzählen wir natürlich in unseren Führungen. Dabei erlauben wir uns mit einem Augenzwinkern, in andere Dimensionen einzutauchen, wenngleich wir die rationalen Fakten kennen. Aber es geht eben ums Spüren", sagt er. Wer ganz für sich alleine spüren will, für den hat Weidner noch den Tipp: "Mit meinem Buch die Stadt erkunden", sagt er und lacht. Ansonsten sei es aber vor allem wichtig, die Augen offen zu halten und sich Zeit zu nehmen, dann könne man in München unzählige mystische Orte entdecken.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.