Dult is!

„Das ist wie Breitbandkino hier“. Von uralten Öfen, die niemand kauft, einem Dampf-Karussell, das nur so klingt, und anderen liebenswerten Volksfest-Originalen. Die Auer Dult am Mariahilfplatz.
von  Abendzeitung

MÜNCHEN - „Das ist wie Breitbandkino hier“. Von uralten Öfen, die niemand kauft, einem Dampf-Karussell, das nur so klingt, und anderen liebenswerten Volksfest-Originalen. Die Auer Dult am Mariahilfplatz.

Wer über die Auer Dult schlendert, kann viele Originale entdecken. Gemeint sind nicht die begehrten Einzelstücke in den Auslagen der Antiquitäten-Händler und Töpfer. Gemeint sind die Menschen dahinter: Die Standlbesitzer und Beschicker, die aus der Dult das machen, was sie ist: Das münchnerischste aller Volksfeste.

Behutsam rührt Hans März (72) in den gebrannten Mandeln. Leert den Kessel aus und fegt ihn sauber. Jeder Handgriff sitzt. Seit 36 Jahren gehören der Mandel-Hans und seine Frau Frieda (75) zum festen Kern der Dult-Leute. „Wer den Mandel-Hans ned kennt, is oiwai blind umananda g'rennt“, erklärt der Standl-Chef mit dem weiß-gezwirbelten Schnurrbart in sauberem End-Reim. Und man ahnt: Das ist nur einer von dutzenden selbstkreierten Sprüchen.

Die Eheleute bieten ihre frischen Mandeln zwar auch auf dem Oktoberfest feil, aber lieber noch sind sie hier am Mariahilfplatz: „Auf der Dult sind einfach ruhigere, nettere Leute. Griabige Menschen.“ Und nicht so viele Betrunkene.

Seit 45 Jahren sind Frieda und Hans verheiratet. Schon damals, als sie sich das Ja-Wort gaben, waren sie in der Abendzeitung – als Brautpaar der Woche. Zur Silberhochzeit wurde wieder berichtet. 1972 starteten die beiden mit dem Mandel-Stand. Dabei hatte Hans März eigentlich etwas ganz anderes gelernt: Im Heiliggeistgassl machte er eine Ausbildung zum Säckler – zum Lederhosenmacher. „Aber da gab’s nur 80 Pfennig Stundenlohn. Das war bisserl wenig.“ Das Mandel-Geschäft dagegen läuft – wenn es auch schon mal besser war. „Früher haben die Leute zwei bis drei Tüten gekauft, jetzt kaufen sie eine und wollen noch eine leere dazu – zum teilen!“

Auch Herbert Lingnau (62) kann sich an einträglichere Zeiten erinnern. Ihm gehört ein kleines Karussell auf der Dult. Noch vor zehn Jahren habe er mindestens 60 Prozent mehr verdient. Die Leute würden das Geld einfach strenger zusammen halten. „Dass ich an einem Sonntagmittag mit nur einem Kind fahre – das hätte es früher nicht gegeben“, sagt er. Kopfschüttelnd drückt er für den einzigen Fahrgast, die kleine Lisa, den Knopf in seinem Kassier-Häusl. Schnaufend setzt sich das Karussell in Bewegung – als wenn es mit Dampf betrieben wäre. Das Ganze ist aber nur eine Attrappe: „So ein Dampf-Karussell, das dürften sie heute nicht mehr betreiben. Wegen der strengen Auflagen.“

Seit seinem 16. Lebensjahr arbeitet Herbert Lingnau auf der Dult. Seine Mutter hatte einen Schausteller geheiratet und die Familie versuchte ihr Glück mit einem Autoscooter. 1986 sattelte Lingnau um – auf sein Karussell. Das Herumreisen mag der 62-Jährige nicht leiden. Deswegen schickt er sein Gefährt alleine auf andere Märkte. An Weihnachten steht es zum Beispiel in Brixen (Südtirol) auf dem Christkindlmarkt.

Wenn er das alles so erzählt, klingt Herbert Lingnau immer ein bisserl grantig. Doch bei einem Satz wirkt seine Stimme ein bisschen weicher: „Die Dult gehört einfach zu meinem Leben dazu.“

Auf der anderen Seite des Dultplatzes hockt Dagmar Leinberger – inmitten von Emaille-Geschirr und antiken Öfen: Ein amerikanischer Leuchtofen aus dem 19. Jahrhundert. Ein französischer Küchenherd von 1910. Ein grün-gekacheltes Exemplar aus Belgien. Durch halb Europa reist die Händlerin, um die besonderen Öfen zu entdecken. Doch wer geht schon auf die Dult – und nimmt einen zentnerschweren neuen Herd für 3000 Euro mit nach Hause? „Niemand“, gibt Dagmar Leinberger zu. Aber sie hofft, dass die Dult-Besucher irgendwann auch ihr Geschäft in Fürholzen besuchen.

Seit 1992 kommt die Händlerin jedes Jahr auf den Mariahilfplatz. „Es ist hier einfach so klein, so traditionell, so vielseitig und kuschelig.“ Ein Stand mit Kittelschürzen, ein anderer mit Schussern – für Omas sei das Angebot genauso gut wie für Kinder. Leinberger liebt es, auf ihrem Hocker in ihrer Bude zu sitzen und die Menschen auf der Dult zu beobachten. „Das ist wie Breitbandkino hier.“

"Das hier ist einfach altmünchnerisch"

Auch wegen dieser Atmosphäre, wegen des entspannten Dultflairs versuchte Mathias Graebner (47) ganze sieben Jahre lang, einen Stand-Platz zu ergattern. 1995 klappte es endlich: Seither bietet der Töpfer seine selbst gemachte Keramik an. Sein derzeitiges Lieblingsstück: Eine Teekanne mit roten Blumen. Eineinhalb Stunden werkelt er an so einer Kanne. Doch der Verkaufsschlager sind trotzdem die günstigeren Tassen. Alles andere an Haushaltswaren gäbe es schließlich auch bei Aldi und Lidl.

Was Graebner an der Dult so mag? „Das hier ist einfach altmünchnerisch.“ Gleichzeitig g’schert – wenn zum Beispiel die Standbesitzer untereinander über andere herziehen. „Aber eben auch liebenswert.“

Julia Lenders

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