Droht der Rekord-Stau-Sommer?

In der Cessna über Bayerns Autobahnen: Wie Staubeobachter Klaus Ablaßmeier vom ADAC hilft, das Chaos auf den Straßen in den Griff zu kriegen. Warum dieser Sommer für Autofahrer besonders schlimm zu werden droht.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Sicher ist nur der Stau.
dpa Sicher ist nur der Stau.

MÜNCHEN - In der Cessna über Bayerns Autobahnen: Wie Staubeobachter Klaus Ablaßmeier vom ADAC hilft, das Chaos auf den Straßen in den Griff zu kriegen. Warum dieser Sommer für Autofahrer besonders schlimm zu werden droht.

Zum Glück ist der Mensch vergesslich. Mütter, sagt man, würden kein zweites Kind bekommen, wenn sie die Schmerzen bei der Geburt nicht aus dem Gedächtnis streichen könnten. Und Urlauber, die würden wahrscheinlich nicht mehr ins Auto steigen, wenn sie sich an den letzten Mega-Stau auf dem Weg nach Riccione erinnern könnten. Tun sie scheinbar nicht, denn sie setzen sich wieder hinters Steuer. In fünf Bundesländern sind Ferien und am Donnerstag beginnen sie in Nordrhein-Westfalen. Und halb Belgien und Holland rollt schon gen Süden. Damit ist auch an diesem Wochenende eines gewiss: Stau.

Er raubt Autofahrern den letzten Nerv. Sind sie erst mal in einer Blechlawine gefangen, gibt es bis zur nächsten Ausfahrt kein Entkommen. Und weil der Mensch ein Kontrollwesen ist, will er in dieser misslichen Lage wenigstens Informationen. Er will wissen, wo es sich staut, warum und wie lange schon. Hilfe, die Autofahrer von den Flugbeobachtern des ADAC bekommen. Sie fliegen an 13 Wochenenden in der Ferienzeit über die bayerischen Autobahnen und berichten über die Verkehrslage. Die Stauoffensive des Automobilclubs komplettieren sechs Stauberater, die auf Motorrädern unterwegs sind, und ein mobiles Staustudio. „Dass wir am Boden und in der Luft tätig sind, das macht uns stark“, sagt Klaus Ablaßmeier.

Drei Mal sitzt der 42-Jährige in diesem Sommer an Bord der Cessna 172 XP, der deutschlandweit einzigen Staubeobachtungs-Maschine, die in Landshut stationiert ist. Für Ablaßmeier ist diese Aufgabe Ehrensache. Pilot Johann Schwarz und er verdienen daran nichts. „Wir machen das mit Leib und Seele“, sagt Ablaßmeier. Die beiden sind ein eingespieltes Team. Während Klaus Schwarz die Cessna aus dem Hangar rollt, meldet Ablaßmeier dem Staustudio, dass es bald losgeht. Wenn es das Wetter zulässt, fliegen sie immer die gleiche Route. Hinüber zur A9, dann runter zur Allianz Arena, über die A99 Ostumgehung bis zum Autobahnkreuz A8 Richtung Salzburg. Weiter bis zum Tauerntunnel, danach ein kurzer Stopp im österreichischen Zell am See oder St.Johann. Etwa drei Stunden sind sie normalerweise in der Luft.

"Dramatische Szenen schildere ich nicht"

Was sie dort beobachten, gibt Ablaßmeier per Handy an Antenne Bayern weiter und die Moderatoren wiederum an die Autofahrer. Anders als bei Verkehrs- oder Großraumfliegern läuft hier noch alles mechanisch ab, die Funkwellen des Mobiltelefons können die Elektronik nicht stören. Hier oben haben sie schon die Entstehung eines Staus im Fokus. „Dann sehen wir den Zieharmonika-Effekt. Die Autos halten zu wenig Abstand und wenn einer bremst, staut es sich. Und das, obwohl es keinen Unfall gegeben hat.“ Hier oben sehen sie auch, wo der Stau anfängt oder aufhört und gewinnen einen Überblick über eine Unfallstelle. „Ich sage ganz sachlich, was aus der Luft zu sehen ist. Dramatische Szenen schildere ich nicht.“

Die Flugbeobachtung ist bei gutem Wetter in der Haupt-Stau-Phase von halb zehn bis zwei Uhr unterwegs. „Zwischen 9 und 11 Uhr bauen sich die Staus auf. Wenn bis dahin nichts ist, kommt meistens auch nichts mehr.“ Seine Erfahrung aus der Luft hat der 42-Jährige in die Praxis umgesetzt. Fährt er in Urlaub, dann frühmorgens oder sehr spät. Nur alle können sich nicht nach bestimmten Zeiten richten oder sich den Anreisetag aussuchen. Denn viele Hotels setzen immer noch auf den Bettenwechsel am vorletzten Wochentag – und Urlauber sind gezwungen zu nehmen, was sie bekommen. Wo es sich stauen wird, das ist Schwarz und Ablaßmeier oft schon vorher klar. Die Dauerbaustelle Irschenberg ist ein Garant für Stillstand und nicht der einzige. Denn am Samstag ging auf der A8 Richtung Süden gleich an mehreren Baustellen nichts mehr. Zwischen Holzkirchen und Bad Aibling mussten die Fahrer auf einer Länge bis zu 18 Kilometern Ruhe bewahren.

Fast 250 Baustellen auf einer Länge von 975 Kilometern werden den Urlaubern besondere Probleme bereiten. Schuld daran sind ausgerechnet die Konjunkturprogramme. Weil die Mittel bis 2011 ausgegeben werden müssen, gibt es vermehrt Baumaßnahmen. Außerdem macht jeder dritte Deutsche inzwischen Urlaub im eigenen Land und reist im Auto an. Wird das der Rekord-Stau-Jahrhundert-Sommer? Wenn ja, ist es doch tröstlich zu wissen: Der Stillstand kommt bestimmt, aber er löst sich auch wieder auf.

Verena Duregger

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.