Drogen: Der Kampf um Konsumräume

München - Die 34. Drogentote in diesem Jahr vermeldete die Münchner Polizei zuletzt. Die Zahlen steigen seit einigen Jahren immer weiter. Sowohl Grüne als auch FDP, Piraten und HUT fordern den Stadtrat daher auf, sich für einen Konsumraum in München einzusetzen.
Konsumräume, umgangssprachlich auch als Fixerstuben bekannt, sind eine Form der niederschwelligen Drogenhilfe. Süchtige können hier konsumieren und bekommen saubere Utensilien zur Verfügung gestellt. Oft sind sie integriert in Kontaktläden oder andere Beratungs- und Hilfseinrichtungen.
Die Suchtkranken sollen überleben
Ziel ist in erster Linie die Überlebenssicherung der Suchtkranken. Das Infektionsrisiko wird durch die Ausgabe steriler Nadeln, Pflastern und Tupfern reduziert. Auch ist medizinisch geschultes Personal vor Ort, um im Notfall – beispielsweise einer Überdosis – eingreifen zu können.
Die Drogentoten werden zumeist in isolierten Räumen, wie der eigenen Wohnung, dem Büro oder Toiletten gefunden. Sie sterben alleine. „Wenn der Konsum medizinisch überwacht ist, ist eine Überdosis hervorragend behandelbar“, erklärt Kerstin Meyer, Ärztin in der Drogenentzugsstation „Die Villa“ am Klinikum Schwabing. Viele Todesfälle könnten daher vermieden werden. Rein rechtlich sind „Konsumräume“ möglich. Allerdings liegt die Ausführung bei den Ländern. In acht Bundesländern gibt es bereits Konsumräume, der erste entstand 1994 in Hamburg. In Bayern fehlt bisher eine entsprechende Regelung – dazu müsste das Gesundheitsministerium (StmGP) eine Verordnung erlassen. Was bislang unterblieb.
Das Gesundheitsministerium lehnt die Konsumräume und die Schaffung der Rechtsgrundlagen strikt ab. Begründung: Drogenkonsumräume seien weder zur Sicherung des Überlebens noch aus sonstigen gesundheitlichen Gründen zwingend notwendig. In Bayern gebe es vor allem in Großkommunen Netze von niedrigschwelligen Hilfen für Suchtkranke, insbesondere für Drogenabhängige. „Es stellt einen Widerspruch im staatlichen Handeln dar, wenn einerseits Besitz und Erwerb von Rauschgift strafrechtlich zu verfolgen sind, andererseits der Konsum von illegal beschafftem Rauschgift in Drogenkonsumräumen staatlicherseits erleichtert und geschützt wird“, so eine Sprecherin des Ministeriums.
Auch Friederike Steinberger, Vizepräsidentin des Beszirkstags Oberbayern, tut sich schwer. „Ich bin noch nicht überzeugt, dass Konsumräume wirklich zielführend sind“, erklärt sie ihre Bedenken, fügt aber an, sie lasse mit sich reden – wenn ein Konzept durchdacht und sinnvoll sei.
Olaf Ostermann leitet den Kontaktladen limit in Schwabing, Klaus Fuhrmann ist Bereichsgeschäftsführer für niederschwellige Hilfen bei Condrobs. Sie sind sich einig: Es fehlt der politische Wille, die Einrichtung zu realisieren. „Die CSU hat keine Ahnung von moderner, niederschwelliger Drogenhilfe“, sagt Ostermann.
El Dorado für Dealer?
Bei der Polizei stößt die Idee der Konsumräume auf wenig Begeisterung. „Bei der Ausgestaltung gibt es rechtliche Probleme für uns“, bemängelt Markus Karpfinger vom Rauschgiftdezernat München. Außerdem wäre eine solche Anlaufstelle womöglich eine Einladung für Dealer. Das befürchtet auch das Gesundheitsministerium.
Olaf Ostermann und Klaus Fuhrmann erinnern sich noch an den Kampf für die Einrichtung von Kontaktläden. Die gleichen Argumente, die es damals gegeben hätte und die sich als unhaltbar herausgestellt hätten, würden nun gegen die Konsumräume vorgebracht.
Stadträtin Lydia Dietrich (Grüne) findet die Befürchtungen unbegründet. „Man glaubt, dass das zu mehr Drogensüchtigen führt. Aber das ist Unsinn“, stellt sie klar. Der Antrag ist übrigens kein reines Grünen-Papier. Die Bundesregierung, Wohlfahrtsverbände, wissenschaftliche Studien, Ärzte und Drogenhilfeexperten bestätigen den Erfolg der Einrichtungen.
Wäre die rechtliche Grundlage gegeben, wäre das nächste Problem wohl die Standortfrage. Die Wenigsten wären wohl begeistert, eine „Fixerstube“ in unmittelbarer Nachbarschaft zu haben. „Die Standortfrage gab es aber auch bei den Kontaktläden“, sagt Olaf Ostermann. Und: Die Konsumräume beugen dem öffentlichen Konsum vor. Statt an Spielplätzen würde altes Spritzbesteck, dann im Abfall der Einrichtung landen.
Die Drogenhilfepolitik der Staatsregierung sieht in erster Linie die Substitution und den Entzug vor. Doch nur auf den Konsum zu blicken, sei zu kurz gegriffen, sagt Kerstin Meyer. „Es ist ein profaner Wunsch, dass es weniger Drogen gibt.“
Lydia Dietrich sieht in der Ablehnung des Freistaats vor allem moralisch-ideologische Gründe. „Der Gedanke ist: ,Hör halt auf Drogen zu nehmen.’ So funktioniert Sucht aber nicht“, sagt sie. „Natürlich braucht es Regeln und Gesetze – vor allem aber Hilfe.“