Dritte Startbahn: Der Streit um „Rekordzahlen“

1,1 Prozent mehr Flugbewegungen – für den Flughafen-Chef und für Finanzminister Söder ein deutliches Argument für den Bau der umstrittenen dritten Bahn. „Lächerlich“, findet Gegner Christian Magerl (Grüne)
von  Irene Kleber
Knapp 288 000 Mal sind Flugzeuge in den letzten neun Monaten am Münchner Flughafen gestartet und gelandet: 1,1 Prozent mehr als 2014 – aber noch immer viel weniger als 2008. Rechts: Christian Magerl (Grüne): „Für mich bleibt das Projekt tot.“ Links: Markus Söder (CSU) wirbt weiter für die dritte Startbahn.
Knapp 288 000 Mal sind Flugzeuge in den letzten neun Monaten am Münchner Flughafen gestartet und gelandet: 1,1 Prozent mehr als 2014 – aber noch immer viel weniger als 2008. Rechts: Christian Magerl (Grüne): „Für mich bleibt das Projekt tot.“ Links: Markus Söder (CSU) wirbt weiter für die dritte Startbahn. © dpa/az

Der Dauerzoff um die eine dritte Startbahn am Münchner Flughafen – er nimmt kein Ende: Kaum liegen die neuen Quartalszahlen des Airports auf dem Tisch, meldete sich auch schon Finanzminister Markus Söder (CSU) zu Wort – und rührt erneut die Werbetrommel für das umstrittene Milliardenprojekt. „Der Flughafen ist nicht der Flughafen München, sondern der Flughafen Bayern“, poltert er vor Journalisten des „vbw-Unternehmermagazins“. Und: „Es geht darum, die Grundlagen zu schaffen, damit wir auch 2020 und 2030 stark sind. Und zwar nicht nur in München, sondern in ganz Bayern.“

Eine erneute Grätsche gegen die Stadt München, die als einer der drei Airport-Anteilseigner (neben Bund und Freistaat) – zur großen Freude der Startbahn-Gegner – den Bau einer dritten Bahn blockiert.

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Denn seit die Münchner 2012 in einem Bürgerentscheid mehrheitlich gegen das Projekt votiert haben, haben sowohl OB Dieter Reiter (SPD) als auch sein CSU-Vize und Wirtschaftsreferent Josef Schmid stets argumentiert, sich an den Bürgerwillen gebunden zu fühlen.

Der Kerngrund für die Skepsis damals: die rückläufige Zahl der Flugbewegungen nach 2008 (damals waren es noch 432 000 Starts- und Landungen pro Jahr) – weil die Flugzeuge ja immer größer werden.

Doch nun sind mal wieder neue Zahlen da – und in denen sieht Söder (der auch Aufsichtsrats-Chef der Flughafen-Gesellschaft ist) eine Trendwende:

  • Einen „Rekord“ von 31,3 Millionen Fluggästen habe der Airport in den ersten neun Monaten des Jahres gezählt, meldet Flughafen-Chef Michael Kerkloh, der seit Jahren für den Ausbau wirbt. Das sei ein Plus von vier Prozent gegenüber dem Vorjahr.
  • Noch stärker habe die Luftfracht angezogen: Am Flughafen seien rund 236 000 Tonnen an Gütern umgeschlagen worden: 9,6 Prozent mehr als im Vorjahr.
  • Die Zahl der Starts und Landungen (um die es in den Debatten vor allem geht) sei um 3000 auf insgesamt knapp 288 000 gestiegen. Das Plus hier: 1,1 Prozent.

Zahlen, die untermauern sollen, dass der Ausbau nötig ist, „damit bayerische Unternehmen ökonomisch erfolgreich bleiben können“, wie Söder sagt. „Andere Länder schlafen nicht. Unsere Exportmöglichkeiten sind nicht gottgegeben.“

Aber sind diese Wachstumszahlen tatsächlich ein Dämpfer für die Startbahn-Gegner? „Überhaupt nicht“, sagt der Anti-Startbahn-Aktivist und Grünen-Landtagsabgeordnete Christian Magerl auf AZ-Anfrage – und poltert zurück: „Der Söder-Auftritt ist überflüssig und lächerlich! 1,1 Prozent sind längst nicht das Wachstum, das es braucht, um eine dritte Bahn zu begründen.“ Magerl hat nachgerechnet: 377 000 Starts und Landungen hat der Flughafen 2014 gezählt. „Rechnet man weiterhin mit einem jährlichen Wachstum von einem Prozent, dann landen wir 2025 bei 421 000 Flugbewegungen, also immer noch weit unter den 432 000, die der Airport 2008 schon abfertigen konnte, auch ohne weitere Startbahn. Für mich ist und bleibt das Projekt tot.“

OB Dieter Reiter mag die Quartalszahlen, die ohnehin nur ein „Zwischenergebnis“ seien, gar nicht kommentieren. Für ihn gilt nach wie vor: Nur wenn die Münchner in einem neuen Bürgerentscheid für eine dritte Bahn entscheiden, wird auch die Stadt dem Bau zustimmen. Und einen neuen Bürgerentscheid gibt es erst bei dauerhaft signifikanten Wachstumszahlen.

„Die Federführung für das weitere Vorgehen liegt nun beim Hauptgesellschafter, dem Freistaat“, lässt Bürgermeister Josef Schmid wissen. Denn auch Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat sich noch nicht auf ein Ja oder Nein zur dritten Bahn festgelegt. Zuletzt hat er das Thema in diversen Gesprächsrunden mit Fraktionen, Wirtschaftsverbänden, Kommunen und Bürgerinitiativen debattiert. In zwei bis drei Wochen wird er noch zu einem „Ortstermin“ am Flughafen erwartet. „Ich halte es für möglich, dass es auf ein Nein rausläuft“, glaubt Magerl, „dann sind wir endlich mit dem Thema durch.“ Man darf gespannt sein.

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