Dreikönigstreffen der SPD: Personenkult um Dieter Reiter
München - Als der Münchner Oberbürgermeister (OB) Sonntagmittag den letzten Satz seiner Rede im Hofbräukeller spricht, skandieren die SPD-Mitglieder und klatschen im Rhythmus: "Dieter! Dieter!" Der Saal tobt, als wäre gerade der letzte Song eines Pop-Konzerts zu Ende und keine Politikerrede, auch wenn Reiters Ansprache beim Dreikönigstreffen der SPD durchaus mitgerissen hat.
Spürbar frustrierenden Gesamtzustand der SPD
Vor allem sein letzter Satz reißt alle Zuhörer sprichwörtlich vom Hocker. "Was können wir tun?", leitet Reiter ein. Er bezieht sich auf den spürbar frustrierenden Gesamtzustand der SPD, mit den inakzeptablen Bundes- und Bayern-Wahlergebnissen, aber auch auf die bevorstehenden Kommunalwahlen. "Die Alternativen sind aufgeben, nachgeben, alles geben", sagt Reiter, "ich bin für alles geben, liebe Genossinnen und Genossen!" Der Personenkult um Reiter beginnt am Sonntag schon, als der OB kurz vor elf Uhr den Saal im ersten Stock betritt. Auch hier applaudiert die Menge spontan. Die Kameralichter drehen sich zu ihm. Es wirkt ein bisserl so, als ob ein politischer Messias den Raum beträte.
Fragt man Florian von Brunn, den Giesinger SPD-Landtagsabgeordneten, bestätigt sich der Verdacht. "Dieter Reiter ist laut Umfrage der beliebteste SPD-Politiker Bayerns. Auch die Bayern-SPD ist daher gespannt auf seine Rede", sagt er, bevor Reiter die Bühne betritt.
Das klingt in dem Moment, als ob die Bayern-SPD den Münchner OB in den eigenen Reihen bräuchte. Schließlich ist das Trauma der Wahl 2018 immer noch präsent, mit fast elf Prozent Stimmenverlust und einem Endergebnis von 9,7 Prozent. "Das wäre super, glaube ich aber nicht", erklärt von Brunn, "denn es ist auch sehr wichtig, dass die SPD weiterhin in München den OB stellt."
Reiter-Themen: Bezahlbare Mieten, Mobilität, Senioren-Armut, autofreie Stadt
In seiner umjubelten Rede bezieht sich Reiter auf seine bekannten München-Schwerpunkte: bezahlbare Mieten, Mobilität, Senioren-Armut, die Schere zwischen Arm und Reich und die Gestaltung einer menschen- statt autofreundlichen Stadt. "Ich möchte, dass mein München nicht zu einem Ort wird, den sich nur noch Reiche leisten können", sagt Reiter oder: "Wir brauchen auch den Bund und den Freistaat. Reiche geben freiwillig an die Ärmeren nichts ab." Reiter will auf die Vermögenssteuer hinaus, "das hatte die SPD mal auf der Agenda", hebt er hervor.
Eigentlich will der OB am Sonntag nicht auf andere zeigen, kann sich aber einige Seitenhiebe nicht verkneifen. "Wir brauchen eine grünere Stadt. Damit meine ich Bäume und Wiesen." Oder: "Wir haben unsere städtischen Wohnungen nicht verscherbelt wie der Freistaat die GBW. Wisst ihr, wie die GBW mittlerweile heißt? Dawonia! Besser wäre aber: DawoniNO!"
Reiter wirkt in der Münchner SPD über alle Zweifel erhaben. Unmut herrschte im Saal lediglich über zwei andere Themen, wie den kürzlichen Hackerangriff im Bundestag. Es wird gemunkelt, dass der Bundestags-Abgeordnete Florian Post seine Daten nicht gut geschützt habe.
"Seither bekommen einige SPD-Ehrenamtler Anrufe aus Russland", sagt ein Zuhörer. Ein anderer beschwert sich über die Macht der Vorstände. "Einige namhafte Mitglieder wollten für den SPD-München-Vorstand kandidieren, was aber der aktuelle Vorstand verhindert hat."