Dreck am Fluss: Die Isar wird zur Müllkippe
Die Initiative „Deine Isar“ hat mit Schülern das Ufer untersucht und dabei immense Müllmengen gefunden – und die Isar-Saison geht gerade erst los. Die Geschichte, die Bilder
München - Hartmut Keitel hält einen aufgeblasenen Müllsack in die Höhe. „Da passen 40 Liter Wasser rein. Eine einzige Zigarettenkippe, die vergiftet so viel Isarwasser!“, erklärt er. Die Zuhörer sind beeindruckt, vor allem, wenn sie auf den Boden vor sich sehen – der ist nämlich übersät mit Zigarettenkippen. Die Schüler der 1. und 2. Klasse des SFZ an der Isar stehen am Ufer an der Reichenbachbrücke beim „Isar-Seminar“.
Hartmut Keitel von der Initiative „Deine Isar!“ erklärt den Isargrillern von morgen, warum es wichtig ist, den Müll mit heimzunehmen. Die Saison an der Isar hat noch gar nicht richtig begonnen, das Wetter ist mehr als durchwachsen, an den vergangenen Tagen hat es sogar richtig geregnet. „Da hat die Isar durch das Hochwasser das Ufer selbst gereinigt – das ist wie einmal das Klo durchspülen“, sagt Keitel und erklärt den Kindern, dass Kippen im Wasser bei den Fischen viel Schaden anrichten – weil manche Tiere sie fressen und weil die aufgeweichten Zigarettenstummel die Giftkonzentration im Wasser erhöhen. Keitel erzählt vom Lebensraum Isar, vom Biber, der in der Nähe wohnt, er zeigt ein Bild von einem über einen Meter langen Fisch, einem Huchen, der aus der Isar gezogen wurde. Und er er sagt, dass die Renaturierung auch für die Münchner gemacht wurde, damit sie direkt vor der Haustür einen Strand haben, sich sonnen und baden können.
Die 27 Schüler bekunden, dass sie ihren Müll immer in den Mülleimer werfen. „Aber manche sind einfach zu faul“, mutmaßt einer. Denn selbst in der laufenden Vorsaison und bei eisheiligen Temperaturen ist der Isarstrand voll von der Überresten der Feierer. Im Wasser liegt ein umgefallener Sonnenschirm und wer am Ufer entlanggeht, steigt immer wieder in kleine Scherben. „Hier kommen jeden Tag Müllmänner und heben die großen Sachen auf“, erklärt Keitel. „Aber die kleinen Sachen, die können sie nicht mitnehmen.“ Das sollen jetzt die Schüler tun – aber zuerst wird der Müll fachmännisch gezählt. Keitel legt Maßbänder auf den Boden – ein mal einen Meter. „63 Kippen, 8 Kronkorken, 3 Tüten, 2 Flaschen und 2 Bananenschalen“, hat Schriftführer Kasmkhan bei der Zählung notiert.
Die andere Gruppe hat sogar 23 Kronkorken in ihrem Quadrat. Würde man einen ein Meter breiten Streifen den ganzen acht Kilometer langen renaturierten Strand entlang ziehen, käme man auf 184000 Kronkorken, 504000 Kippen, 24000 Plastiktüten, 16000 Bananenschalen, tonnenweise Glasscherben und noch viel, viel mehr. Keitel kämpft seit vier Jahren gegen den Dreck an der Isar, ab Ende Mai werden wieder Plakate geklebt und Müllbeutel verteilt (siehe unten).
22 Klassen haben sich für die Isar-Seminare angemeldet. „Ich bau darauf, dass diese Kinder meine Sympathisanten bleiben. Dass sie später diejenigen sind, die zu den anderen sagen: Hey, heb gefälligst deinen Müll auf.“ Noch sieht’s danach aus: Mit Begeisterung sammeln sie den Dreck ein. Am Schluss gibt’s ein Zertifikat: „Die Klasse hat damit auch dazu beigetragen, die Isar ein kleines bisschen sauberer zu machen und ein Zeichen für die Zukunft gesetzt. Die Schüler der Klasse dürfen sich ab sofort „Isar-Botschafter“ nennen.“ Dann bekommt jeder eine Postkarte, auf der steht: „Deine Isar ist auch die Isar der anderen“. Wenn die Kinder diese Botschaft als Jugendliche nicht vergessen, war Hartmut Keitel erfolgreich.
Jedes Wochendene 4 Tonnen Müllen - Das tut die Stadt dagegen:
Wenn es kommende Woche wärmer wird, geht es richtig los an der Isar. Den groben Müll transportiert die Stadt entlang von acht Kilometern Ufer weg – an sonnigen Tagen täglich. An Wochenendtagen sind zusätzlich zwei Mitarbeiter ständig an der Isar. An einem einzigen Sommer-Wochenende schafft die Stadt so zwischen 3,5 und 4,5 Tonnen Müll weg.
Pro Saison zählt das Baureferat rund 117 Tonnen Partymüll. Es stehen 76 Gitterboxen, teilweise beleuchtet, im Bereich des Isar-Hochwasserbettes, außerdem gibt es fünf Abfallcontainer, die jeweils fünf Kubikmeter Müll fassen. An Wochenenden stellt die Stadt weitere zwei Sieben-Kubikmeter-Container an der Thalkirchner Brücke und am Flaucher auf. Acht Mülltütenspender stehen bereit und 15 Grill-Asche-Behälter, in denen man glühende Kohlen entsorgen kann.
Das plant die Initiative "Deine Isar e.V.":
Hartmut Keitel hat „Deine Isar“ als Privatinitiative gestartet. Inzwischen ist „Deine Isar“ ein eingetragener Verein. Die Stadt unterstützt die Initiative und mit Paulaner gibt es einen großen Sponsor. Neben den Seminaren für Schüler gibt es heuer auch wieder viele anderen Aktionen – Ende Mai, wenn die Münchner den Fluss wieder stark bevölkern, stellen Keitel und seine Helfer, zu denen auch die Isarfischer gehören, die neuen Plakate auf: Die Isar selbst kommt da zu Wort und richtet sich an die Münchner: „Seit du da warst, liegt meine Welt in Scherben“, heißt es da. Mit ihren Fahrradrikschas sind die Aktivisten auch wieder unterwegs und verteilen kleine Mülltüten mit dem Hinweis: „Müll rein, Isar rein, Gewissen rein.“ Am 27. Juli wird dann zum großen Ramadama aufgerufen. Und bis zum 25. Mai kann man sich noch für den Isar-Film-Wettbewerb bewerben. (Infos unter: deine-isar.de)