Drachen, Hexen, Heilige: Münchner Sagen und Mythen
Es geht um Drachen, Hexen und ruhelose Seelen, Gespenster, Götzen und Heilige. Die AZ stellt Ihnen Besuche der besonderen Art vor.
MÜNCHEN Sie haben erstaunlich lange überlebt, die vielen Sagen und Mythen, die sich um München ranken. Manche sind bekannt, andere weniger. Einige sind gruselig, andere lustig. Viele basieren auf historischen Begebenheiten, andere sind wohl eher frei erfunden.
Zu besonders geschichtsträchtigen Orten wie der Residenz, dem Alten Peter oder der Frauenkirche gibt es gleich mehrere Sagen zu erzählen.
Wie die vom Teufelstritt, die natürlich jeder kennt. Aber wie ging die Geschichte noch einmal genau?
Oder die vom Feuer speienden Geisterpudel oder der Schwarzen Frau in der Residenz – schon einmal gehört? Und wer weiß heute noch, wo der Schöne Turm stand?
Der Autor Christopher Weidner hat eine ganze Reihe dieser schaurig-schönen Geschichten zusammengetragen. Herausgekommen ist ein neuer Mini-Stadtführer, mit dem man die Altstadt auf der Spur der Geschichte(n) neu entdecken kann.
Ein Spaziergang der besonderen Art zwischen Stachus und Isartor, Odeonsplatz und Sendlinger Tor zu den geheimnisvollsten Orten Münchens.
Die AZ stellt Ihnen einige Stationen vor:
Am Wurmeck hängt ein Lindwurm Dass das Neue Rathaus zwar gotisch aussieht, aber bei Weitem nicht so alt ist, wissen die Münchner. Es wurde erst zwischen 1867 und 1909 nach Plänen von Georg Hauberrisser im neugotischen Stil erbaut. Dabei hat man die Fassade mit vielen Details versehen, die von der mittelalterlichen Symbolik beeinflusst sind. So auch der große Drache, der sich am westlichen Eck zur Weinstraße, dem so genannten Wurmeck, züngelnd und bedrohlich die Mauer hochwindet.
Den Namen trug sie Stelle schon lange bevor das Neue Rathaus hier stand, denn an dieser Stelle soll einmal ein riesiger Lindwurm über die Stadt geflogen sein. Er blies seinen giftigen Atem in die Straßen und brachte so die Pest in die Stadt.
Der schwarze Tod kostete in den 1630er Jahren mehr als 7000 Münchnern das Leben. Er wurde erst besiegt, als der Drache einmal auf dem Marienplatz landete. Beherzte Männer aus der gegenüberliegenden Hauptwache trieben ihn angeblich am Wurmeck in die Enge und schossen mit einer Kanone auf ihn. Mit einem Schuss gelang es, das Untier zur Strecke zu bringen – die Stadt war gerettet.
Deshalb sind links von der Drachenfigur die fliehenden Bürger und mutigen Kanoniere zu sehen. Rechts tanzen die Schäffler, die nach der Pest als erste durch die Gassen streiften, um die Münchner wieder ins Freie zu locken. Ihre Bögen aus grünem Buchs formen eine lange Schlange – den besiegten Pestwurm. In alten Darstellungen des Wurmecks ist auch der Drachentöter Georg zu entdecken. Er ist jetzt am anderen Eck des Neuen Rathauses zu finden, als Schutzpatron der Wittelsbacher.
Zu Unrecht verurteilt Im Pflaster vor dem Kaufhaus Hirmer markieren dunkle Steine den Grundriss des ehemaligen Westtors der alten Stadtbefestigung, den Schönen Turm. Neben ihm lebte einst ein Goldschmied in einer kleinen Dachkammer. Er sollte ein kostbares Schmuckstück für einen reichen Mann kopieren, doch der Schmuck verschwand aus seinem Zimmer.
Der unselige Goldschmied wurde des Diebstahls bezichtigt und zum Tode verurteilt. Als er durch den Schönen Turm geführt wurde, rief er: „Eines Tages wirst du die Wahrheit und meine Unschuld verkünden“.
Tatsächlich wurde bald darauf am Turm ein Dohlennest entdeckt. Darin das gestohlen geglaubte Schmuckstück. Der Vogel war durchs Fenster in die Kammer geflogen und hatte es geklaut.
Noch heute sollen an diesem Platz die Seelen unschuldig Verurteilter umgehen.
Der Brezenreiter von Heilig-Geist Im Deckenfresko der Heilig-Geist-Kirche erkennt man einen Mann neben einem weißen Pferd, mit einer Breze in der Hand – den Brezenreiter.
Seit dem 14. Jahrhundert spendete die Salzhändlerfamilie Wadler dem Heilig-Geist-Spital Geld. Davon sollten immer zum 1. Mai Brezen gekauft und an die Armen verteilt werden. Um Mitternacht ritt ein Reiter auf einem Schimmel durch die Gassen der Stadt. Er verteilte einen Teil der Brezen, den Rest gab es beim Spital.
Anno 1801, einem Jahr mit großer Not, zerrten die Menschen den Reiter wütend vom Pferd und verprügelten ihn, weil ihm die Brezen ausgingen. Der Brauch wurde daraufhin für viele Jahre eingestellt.
(Christopher Weidner: Mystisches München. Spaziergänge zu sagenhaften und wundervollen Plätzen. Volk Verlag München, 2012)